Automotive & Transportation Anforderungen an Steuerungen für moderne Bahnsysteme

Von Dr.-Ing. Niklas Duda * 7 min Lesedauer

Anbieter zum Thema

Moderne Bahnsteuerungssysteme arbeiten auf Basis des mobilen Bewegungsblockprinzips. Aber welche Anforderungen müssen Hard- und Software eines solchen Steuerungssystems erfüllen?

Die Plattform HeiSys: ist dank ihrer modularen Struktur mit standardisierten Schnittstellen wie geschaffen für moderne Zug-Systeme und kann in unterschiedlichen Ausbauvarianten in verschiedensten Bereichen eingesetzt werden.
Die Plattform HeiSys: ist dank ihrer modularen Struktur mit standardisierten Schnittstellen wie geschaffen für moderne Zug-Systeme und kann in unterschiedlichen Ausbauvarianten in verschiedensten Bereichen eingesetzt werden.
(Bild: Heitec)

Ohne fortschrittlichen öffentlichen Nah- und Fernverkehr auf der Schiene wird die Verkehrswende nicht funktionieren. Der Digitalisierung kommt bei der Modernisierung und Effizienzsteigerung des Bahnverkehrs eine entscheidende Rolle zu. Wie in vielen anderen Bereichen ist der Einsatz elektronischer Systeme dabei auch in der Bahntechnik unverzichtbar geworden.

Dies beginnt bei der Steuerung und Kommunikation zwischen Fahrzeugen und Infrastruktur, den Zügen untereinander, zwischen Komponenten eines Zuges bei Diagnosefunktionen, Ortung, Sensorik, Informations- und Entertainmentsystemen u. v. m. und geht bis zu führerlosen Systemen. Es werden immer schnellere Verbindungen etabliert und die eingesetzte Technik muss zuverlässig und kontinuierlich funktionieren sowie schnell reagieren. Ist dies der Fall, trägt dies entscheidend zur Betriebssicherheit, effizientem Datenmanagement, Entlastung der Mitarbeitenden und letztendlich auch zur Fahrgastzufriedenheit bei.

Bildergalerie

Systeme auf Basis des mobilen Bewegungsblockprinzips

Im Unterschied zum herkömmlichen Bahnbetrieb, der auf dem statischen Blockprinzip aufgebaut ist, basieren neue CBTC (Communication-Based Train Control)-Systeme auf dem mobilen Bewegungsblockprinzip. Bisher war es so, dass kein weiterer Zug einen durch einen anderen Zug belegten fest definierten Streckenabschnitt befahren durfte, was einen koordinierten und dichteren Bahnverkehrsfluss verhinderte. Eine Forderung modernen Verkehrswesens ist daher, die Schieneninfrastruktur besser zu nutzen bzw. die Verteilung besser zu koordinieren, ohne Sicherheitsaspekte zu vernachlässigen. Bei dem mobilen Bewegungsblockprinzip bewegen sich die für einen Zug reservierten Streckenabschnitte mit dem Zug mit und haben eine minimale Länge, um noch einen sicheren Halt zu gewährleisten.

Dieser Ansatz erfordert eine genaue Standortbestimmung der Züge sowie einen hochleistungsfähigen, unterbrechungsfreien, bidirektionalen Zug-zu-Land-Datenstrom zwischen dem jeweiligen Zug und den entlang der Strecke angebrachten (Wayside-)Anlagen – und darüber hinaus die entsprechende digitale Infrastruktur, welche die Vernetzung ermöglicht. Die übermittelten Daten umfassen z. B. Position, Richtung, Tempo und Bremsweg, wodurch der Platzbedarf des Zuges auf dem Gleis errechnet wird, andere Züge auf dem jeweiligen Gleisabschnitt blockiert und die Sicherheitsanforderungen festgelegt werden. Die genaue Berechnung, die durch moderne Technik erreicht wird, bewerkstelligt einen dichteren Zugbetrieb und höhere Beförderungskapazitäten mit dem Ziel optimaler Auslastung.

Unterschiedliche Automatisierungsgrade

CBTC-Systeme sind dabei nach IEC 62290-1 in unterschiedliche Automatisierungsgrade, als Grades of Automation (GoA) bezeichnet, eingeteilt. Die Normen dieser Reihe definieren die System- und Schnittstellenanforderungen für Betriebsleit- und Zugsicherungssysteme, die für den Einsatz in schienengebundenen Personennahverkehrsstrecken und -Netzen bestimmt sind. Je höher die Einteilung, desto höher sind auch die Anforderungen an Leistung, Funktionalität und Sicherheit. Die Einteilung geht dabei von GoA 0, was der Fahrt ohne Unterstützung entspricht, bis zu GoA 4, was dem vollständig autonomen Betrieb entspricht.

Geräte und andere Betriebsmittel im mobilen Einsatz sind kontinuierlich rauen Umgebungsbedingungen wie Feuchtigkeit, Staub oder elektromagnetischen Störungen ausgesetzt. Dazu sind in der Norm DIN EN 50155 Parameter festgelegt, die von in Schienenfahrzeugen eingebauten elektronischen Betriebsmitteln (u. a. im Hinblick auf die erforderliche Betriebstemperaturspanne, Feuchte, Schock, Vibration) erfüllt werden müssen. Zudem werden damit auch die Umwelt- sowie die elektrischen Bedingungen vorgegeben. Weitere Normen und zahlreiche Sicherheitsvorgaben setzen den Rahmen für sehr hohe Anforderungen. Deshalb müssen eingesetzte Systeme alle erdenklichen Störfälle bewältigen können.

Kostspielige und ärgerliche Ausfälle

Störungen und Ausfälle sind nicht nur kostspielig und ärgerlich, sondern schlimmstenfalls gefährlich. Bei einem Ausfall der Kommunikation, etwa durch Interferenzen, Engpässen bei der Datenrate oder Signalschwächen, muss gewährleistet sein, dass entsprechende Maßnahmen wie eine Reduktion der Geschwindigkeit oder sogar das Stoppen des Zuges eingeleitet werden.

Jetzt Newsletter abonnieren

Verpassen Sie nicht unsere besten Inhalte

Mit Klick auf „Newsletter abonnieren“ erkläre ich mich mit der Verarbeitung und Nutzung meiner Daten gemäß Einwilligungserklärung (bitte aufklappen für Details) einverstanden und akzeptiere die Nutzungsbedingungen. Weitere Informationen finde ich in unserer Datenschutzerklärung.

Aufklappen für Details zu Ihrer Einwilligung

Um einen möglichst störungsfreien Betrieb zu gewährleisten, ist Hochverfügbarkeit eines der wichtigsten Features. Je kompakter das System, desto weniger störungsanfällig und langlebig ist es normalerweise: So wird beispielsweise durch den Verzicht auf bewegliche Lüfter der mechanische Verschleiß verhindert. Dennoch muss es widerstandsfähig gegen Hitzeentwicklung – und, falls im Außenbereich angebracht, zusätzlich gegen Wettereinflüsse sein und trotzdem leistungsstark genug, um alle Aufgaben verlässlich zu verrichten. Instandhaltung und -setzung müssen einfach durchzuführen sein und, da die technische Entwicklung nicht stehen bleibt, sollten auch potenzielle Updates möglichst einfach vorgenommen werden können.

Uneingeschränkte Kommunikationsfähigkeit der Systeme

Für die verschiedenen Funktionen ist uneingeschränkte Kommunikationsfähigkeit der Schlüssel. Services wie die Übertragung großer Datenmengen, schnell verfügbare Diagnose-Informationen, die Echtzeitübertragung von Steuer- und Statusinformationen oder Wi-Fi für die Passagiere erfordern moderne Wireless-Technik mit teils gegensätzlichen Anforderungen. Während für Passagier-Wi-Fi-Systeme die Datenrate wichtig ist, ist für Echtzeitübertragung kritischer Daten die Latenz und die Verfügbarkeit elementar.

Für die bidirektionale Kommunikation zwischen Gleisanlagen und Zügen nutzt ein CBTC-Kommunikationssystem in der Regel Frequenzen der ISM-Bänder im 2,4-GHz- und 5-GHz-Bereich und bauen dort auf den Wi-Fi Standard auf. Mit Diensten über offene ISM-Bänder und sich daraus ergebenden potenziellen Störungen sowie je nach Anwendung zu hohen Latenzen wächst der Druck des Zuweisens spezieller Frequenzbänder. Zu beachten ist auch, dass bei globaler Nutzung die jeweilige Verbreitung von Funkstandards, freigegebenen Bändern oder die Nutzung vorhandener Anbieter-Netze variiert. GSM-R nutzt zwar eigene Frequenzen, erfüllt aufgrund seines Alters allerdings eine Vielzahl von anderen Anforderungen nicht.

Mehr als nur eine Funkübertragungsmethode

Angesichts der erforderlichen Verfügbarkeit und der Bewältigung etwaiger Störungen ist deshalb das Ziel, auf mehr als nur eine Funkübertragungsmethode zu setzen. Jede dieser Methoden hat ihre Vor- und Nachteile. Ideal ist es, den jeweils besten Funkstandard für die jeweilige Situation und Aufgabe einsetzen zu können. Im Hinblick auf den neuesten Funkstandard 5G mit dessen Vorteilen wie höhere Datenraten und geringere Latenzen ergeben sich mehr Möglichkeiten. 5G-Anwendungen lassen sich – zusätzlich zu den höheren Frequenzen zwischen 24 und 52 GHz (aufgrund der nur wenige Millimeter umfassenden Wellenlänge auch als mmWave bezeichnet) – in den Frequenzbereichen existierender Mobilfunkstandards einsetzen, wodurch die schon bestehende Infrastruktur durch verhältnismäßig kleinere Anpassungen weiter genutzt werden kann. Daher bietet sich 5G als Nachfolger von GSM-R an und kann CBTC-Aufgaben, für die aktuell Wi-Fi genutzt wird, übernehmen oder zumindest redundant ergänzen.

Neben einer Vielzahl von Funkstandards muss ein Steuerrechner auch je nach Einsatzgebiet mit verschiedensten Bordspannungen zurechtkommen. Die Bordspannung ist dabei abhängig von lokalen Standards als auch von der Art des Zuges und liegt in der Regel zwischen nominell 24 bis 110 V. Anders als in vielen anderen Anwendungsbereichen darf die tatsächliche Spannung, basierend auf den in EN 50155 festgelegten Grenzwerten, relativ weit von der nominellen Spannung abweichen.

Anforderungen an den Hard- und Software-Baukasten

Der Hard- und Software-Baukasten muss also die unterschiedlichsten Anforderungen erfüllen. Mit all diesen Parametern im Blick muss sowohl eine Neuimplementierung als auch ein Ersetzen existierender Systeme genau konzipiert werden.

Robustheit und Wartungsfreundlichkeit sind elementar notwendige Bestandteile bei der Konzeption und -entwicklung. Das System muss möglichst alle gängigen Kommunikationsformen sowie drahtlose und -gebundene Standards sowie eine automatische, konstante Netzabdeckung unterstützen, die im Idealfall auch auf den Support künftiger Technologien ausgerichtet sind. Da sich dadurch einerseits die Systemkomplexität erhöht, andererseits aber im Notfall eine gründliche, einfache und sichere Fehlerdiagnose erforderlich ist und Komponenten bei Upgrades sowie im Servicefall leicht zu handhaben sein müssen, ergibt sich daraus ein Spannungsfeld, das die Systemarchitekten erfolgreich zu bewältigen haben.

Plattform in unterschiedlichen Ausbauvarianten

Dank ihrer modularen Struktur mit standardisierten Schnittstellen ist die HeiSys Plattform von Heitec wie geschaffen für moderne Zug-Systeme und kann in unterschiedlichen Ausbauvarianten in verschiedensten Bereichen eingesetzt werden. Zu diesen Einsatzfeldern zählen u. a. Zentralrechner/Stationskontrolle, Passagierinformationssysteme, Gateways, Datalogger, Diagnose und Kommunikation. Fortschrittlichste Standard-Modultechnik mit COM Express- und SMARC-Modulen bzw. der Kombination von beiden liefert die gewünschte Rechenleistung und benötigte Konnektivität. Durch die Zulassung nach DIN EN 50155, was optional Conformal Coating beinhaltet, ist das kompakte System für den mobilen Einsatz zertifiziert. Aufgrund des Verzichts auf bewegliche Teile wie Lüfter ist die Ausfallsicherheit signifikant erhöht und die MTBF (Mean Time Between Failures) deutlich vergrößert. Bei Upgrades und im Servicefall sind die Komponenten dennoch dank der modulbasierten Struktur leicht zu handhaben und aufgrund der Standardschnittstellen kann herstellerunabhängig auf eine große Anzahl von Modulen zurückgegriffen werden, wodurch langfristige Bauteilverfügbarkeit und Produktlieferbarkeit sichergestellt werden kann.

Das HeiSys zugrundeliegende Konzept erleichtert die Realisierung von Fahrzeug-/Feldbussen wie MVB, Profibus, CAN oder auch EtherCat sowie den dauerhaften Kontakt per Ethernet, Wi-Fi, LTE/5G dank mehrerer Modems mit automatischer Netzabdeckungsanpassung für konstanten Datenempfang.

Verschiedene Funkstandards gleichzeitig betreiben

Die verschiedenen Funkstandards – LoRaWAN, Wi-Fi, LTE, GPS, Bluetooth – können gleichzeitig verwendet sowie bestehende drahtgebundene Sensoren dank der modularen Schnittstellen weiterverwendet werden. Auch 5G und mmWave werden unterstützt: Die M.2-Steckplätze können problemlos 5G-Module aufnehmen. Die Option für eSIM ermöglicht einen schnellen und einfachen Provider-Wechsel. Dadurch ergeben sich vielschichtige Verbindungsmöglichkeiten für die Sensorik.

Das Design ist darüber hinaus für Prozessormodule auf 25 W ausgelegt, unterstützt somit alle aktuellen und künftigen Core Designs und ist bereits für leistungsfähigere Module vorbereitet. Das System ermöglicht sowohl den Einsatz einer AC-Stromversorgung als auch einer Weitbereichs-DC-Stromversorgung von 24 bis 110 V plus der in EN 50155 definierten Toleranzen für verschiedenste Bordspannungen und den Betrieb im erweiterten Temperaturbereich zwischen –40 und 85 °C, wie er für viele Anwendungen in Transportation/Rail erforderlich ist.

* Dr.-Ing. Niklas Duda ist Produktmanager Geschäftsgebiet Elektronik bei der Heitec AG.

Artikelfiles und Artikellinks

(ID:47991984)