Digitale Inspektion technischer Systeme So können Algorithmen, KI und Augmented Reality Fachkräfte unterstützen

Ein Gastbeitrag von Johannes H. Diedrich* 6 min Lesedauer

Anbieter zum Thema

Die digitale Inspektion bietet vielfältige Möglichkeiten, Fachkräfte bei der Wartung von technischen Systemen zu unterstützen und so die Effizienz und Qualität zu verbessern. Helfen können ERP-Systeme, künstliche Intelligenz oder auch Augmented Reality.

Inspektion: Beim Betrieb technischer Anlagen darf es zu keinem Fehler kommen. Wird die ausführende Fachkraft bei der Inspektion individuell unterstützt, kann das viel Geld sparen und sogar Leben retten.
Inspektion: Beim Betrieb technischer Anlagen darf es zu keinem Fehler kommen. Wird die ausführende Fachkraft bei der Inspektion individuell unterstützt, kann das viel Geld sparen und sogar Leben retten.
(Bild: © gumpapa – stock.adobe.com)

Die Inspektion von technischen Systemen stellt eine wesentliche Aufgabe der Instandhaltung dar. Sie dient der Sicherstellung der Betriebseignung und Funktionsfähigkeit des Systems und somit der Vermeidung von ungeplanten Stillständen, Unfällen und monetären Einbußen. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, Fachkräfte bei der Inspektion bestmöglich zu unterstützen und somit effizient einzusetzen. Die Digitalisierung ermöglicht zudem eine Entlastung der Fachkräfte und die teilweise oder vollständige Automatisierung von Aufgaben. Dies führt zu einer digitalisierten, geführten Inspektion.

Bei einer Inspektion wird der Ist-Zustand eines technischen Systems ermittelt, dokumentiert und beurteilt. So weit so klar, doch wie so häufig ist das Wie entscheidend. Denn wenn das Wie ex ante geplant und festgelegt ist, kann ein effizientes Aufwand-Nutzen-Verhältnis erreicht werden. Bei der Planung einer Inspektion muss also zunächst geklärt werden, welcher Nutzen erreicht werden soll und welche Aufwände zu erwarten sind.

Diese Frage kann in den meisten Fälle generisch beantwortet werden: Bei einer Inspektion soll eine Betriebsfreigabe für das System erreicht und die Funktionsfähigkeit des Systems für eine zukünftige Periode abgesichert werden. Dabei muss zum einen überprüft werden, ob die Komponenten des Systems grundsätzlich geeignet sind, den ihnen zugedachten Zweck zu erfüllen. Hierbei werden verbaute Komponenten anhand ihrer Teilenummer identifiziert. Dann wird geprüft, ob der tatsächliche Einsatz der Komponenten ihrer Spezifikation entspricht. Zum anderen wird geprüft, ob die bisherige Belastung einer Komponente bereits so stark war, dass sie ihren Zweck nicht mehr sicher erfüllen kann und ausgetauscht werden muss. Wichtig ist hierbei digitale Komponenten nicht zu vergessen. Auch eine Software kann falsch ausgelegt oder veraltet sein, Prozessoren und Mikro-Chips unterliegen ähnlichen Alterungsprozessen wie analoge Bauteile.

Das ERP-System unterstützt bei der technischen Inspektion

Dem Nutzen eines abgesicherten Systems stehen verschiedene Aufwände gegenüber. Einerseits muss die Fachkraft, die die Inspektion durchführt, entlohnt werden. Andererseits entstehen Kosten durch Beschaffung und Verbau von Ersatzteilen und verbessernden Komponenten. Zudem steht das System für die Dauer der Inspektion meist nicht für den Normalbetrieb zur Verfügung. Die Erkenntnis, dass die Dauer der Inspektion sowie die korrekte Durchführung die beiden Hauptkostentreiber darstellen, ist trivial. Eine längere Dauer der Inspektion führt zu höheren Kosten und einem Anstieg des Produktionsausfalls. Eine nicht korrekt durchgeführte Inspektion führt zu einer Betriebsfreigabe, die Inspektion muss wiederholt werden, was zusätzliche Kosten verursacht und einen Anstieg des Produktionsausfalls zur Folge hat.

Es ist erstaunlich, dass in der industriellen Praxis noch immer wenig Gebrauch von Möglichkeiten zur Unterstützung und Optimierung von Inspektionen gemacht wird. Bei einer Inspektion erhält die Fachkraft einen entsprechenden Auftrag zum abarbeiten: ein Klemmbrett, einen Stift und eine ausgedruckte Checkliste. Auf Basis der bekannten Informationen wie Auftrag, Checkliste oder Erfahrung stellt sich die Fachkraft Werkzeug und Ersatzteile zusammen. Die Fachkraft geht die Punkte auf der Checkliste nach bestem Wissen und Gewissen durch, notiert Werte, tauscht Teile aus, prüft Software-Versionen und baut am Ende alles wieder zusammen. Schließlich übergibt sie die Checkliste und meldet die erfolgte Abarbeitung des Auftrags. Vor- und nachgelagerte Prozesse werden häufig digital unterstützt. Die ERP-Systeme bilden Zeitpläne digital ab, sodass anstehende Inspektionen erinnert werden und diese digital einer Fachkraft zugewiesen werden können. Zudem werden im ERP-System dokumentiert, dass und von wem die Inspektion durchgeführt wurde sowie ein Scan oder eine nachträglich manuell digitalisierte Version der Checkliste.

Wie Fachkräfte bei der Inspektion besser unterstützt werden

Unterstützung durch Algorithmen: Algorithmen sind nicht zwangsläufig Quellcode. Im Wesentlichen handelt es sich um einfache Schritt-für-Schritt-Anweisungen zur Abarbeitung von Aufgaben. Im Gegensatz zu Checklisten werden Nutzer:innen bei der Abarbeitung der Aufgaben begleitet, anstatt lediglich eine Bestätigung zu erteilen. Es mag auf den ersten Blick aufwendig erscheinen, diese Anleitungen zu erstellen, doch überwiegt ihr Nutzen den Aufwand bei Weitem. Die Abarbeitung der Aufgaben erfolgt schneller und in wiederholbarer Qualität. Zudem können ergänzende Checklisten zu benötigtem Werkzeug, Ersatzteilen und Vergleichswerten für Messungen sowie Teilenummern hinterlegt werden. Werden diese Algorithmen softwaregestützt erzeugt, kann ein generischer Grundalgorithmus geschaffen und von diesem unterschiedlich stark ins Detail gehende Derivate abgeleitet werden. So kann beispielsweise ein sehr detailliertes Derivat zur Unterstützung von Auszubildenden und ein weniger detailliertes für Fachkräfte mit langjähriger Erfahrung erzeugt werden. Auch die Übersetzung in verschiedenen Sprachen stellt bei digital erzeugten Algorithmen kein Problem dar.

Jetzt Newsletter abonnieren

Verpassen Sie nicht unsere besten Inhalte

Mit Klick auf „Newsletter abonnieren“ erkläre ich mich mit der Verarbeitung und Nutzung meiner Daten gemäß Einwilligungserklärung (bitte aufklappen für Details) einverstanden und akzeptiere die Nutzungsbedingungen. Weitere Informationen finde ich in unserer Datenschutzerklärung.

Aufklappen für Details zu Ihrer Einwilligung

Digitale Bereitstellung der Algorithmen: Der zweite konsequente Schritt ist die Bereitstellung dieser Algorithmen auf digitalen Endgeräten. Auf dem Smartphone kann dann von Schritt zu Schritt oder Algorithmus zu Algorithmus navigiert werden. Auch hier ist es empfehlenswert, die Algorithmen strukturiert und softwaregestützt zu erzeugen. Dadurch kann gewährleistet werden, dass sie maschinenlesbar sind und als Content-Paket exportiert und in eine Struktur-App importiert werden können. Die Vorteile dieser Vorgehensweise sind evident: Die Algorithmen sind stets auf dem Smartphone verfügbar und müssen nicht erst ausgedruckt werden. Die Ergebnisse und Metadaten liegen ebenfalls direkt digital vor. Zudem wird ein direkter Feedback-Kanal geschaffen: Ist ein Algorithmus nicht eindeutig oder fehlerhaft, kann der Nutzer dies über die Struktur-App melden. Sein Feedback wird überprüft, der Algorithmus gegebenenfalls angepasst und in einem neuen Content-Paket direkt an alle Nutzer ausgespielt.

Einbindung in ERP-Systeme: Der zweite Schritt sollte parallel zum ersten erfolgen. Sobald einer Fachkraft ein Inspektionsauftrag zugewiesen wird, kann vom Auftrag in den entsprechenden Algorithmus gewechselt werden und die Arbeit kann beginnen. Nach Abschluss der Inspektion können die Ergebnisse und Metadaten im ERP-System hinterlegt werden und sind somit dauerhaft gespeichert. Je größer der so gesammelte Datenschatz wird, desto mehr Auswertungen können erfolgen. Auf diese Weise können zusätzliche Optimierungspotenziale erkannt und gehoben werden.

Bei ausreichend Daten unterstützt künstliche Intelligenz

Übertragung von Aufgaben an künstliche Intelligenzen: Ist der Datenschatz hinreichend groß, kann mit der Automatisierung einzelner Aufgaben der Inspektion begonnen werden. Dies kann auch die Anwendung von Methoden aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz umfassen. Ein Beispiel hierfür wäre die teilweise Automatisierung der Verbauprüfung. Anstatt die Spezifikation eines Bauteils selbst zu prüfen, könnte die Fachkraft die Teilenummer fotografieren.

Die Eignung des Bauteils wird mittels Bilderkennung und Katalogabgleich automatisch geprüft und das Ergebnis der Fachkraft mitgeteilt. Weiterhin könnten beispielsweise Ergebnisse und Metadaten ausgewertet werden, um zu prognostizieren, welche Ersatzteile bei einer bestimmten Inspektion häufig getauscht werden. Auf dieser Basis kann die Checkliste für zur Inspektion mitzunehmender Ersatzteile verbessert werden. Die Möglichkeiten sind hier sehr vielfältig und vom jeweiligen Einzelfall abhängig. Allerdings ist stets zu beachten, dass Automatisierung und Künstliche Intelligenz in der Regel selbst wieder technische Systeme darstellen, die ihrerseits Gegenstand einer regelmäßigen Inspektion sein sollten.

Die Vorteile von Augmented Reality in der Wartung

Einsatz von Augmented und Virtual Reality: Der letzte Schritt stellt eine besondere Art des Schrittes zwei dar, da Geräte zur Anwendung von Augmented und Virtual Reality im Grunde digitale Endgeräte sind. Werden Inspektionsalgorithmen der Fachkraft mit einer Datenbrille als Augmented Reality angezeigt, kann per Sprach- oder Gestensteuerung durch die Schritte und Algorithmen navigiert werden.

Der Vorteil liegt darin, dass bei diesen Arten der Steuerung das Endgerät selbst nicht berührt und verschmutzt werden muss. Des Weiteren ist eine solche Steuerung mit Handschuhen möglich. Eine weitere Unterstützung für die Fachkraft entsteht, wenn bestimmte Orte des Systems, die im Rahmen des jeweiligen Inspektionsschrittes eine wichtige Rolle spielen, hervorgehoben werden. So kann mit der Datenbrille zum Beispiel eine Abdeckung farblich markiert werden, die entfernt werden muss.

Abschließend sei hier die Möglichkeit erwähnt, eine Virtual-Reality-Umgebung aufzubauen, in der Inspektionsalgorithmen getestet werden können. Eine solche Umgebung lässt sich auch derart gestalten, dass Auszubildende virtuell trainiert werden können. Da dies ein virtuelles Modell des eigentlichen Systems voraussetzt, ist der Aufwand entsprechend hoch. Unternehmen, die zu Präsentations- und Vorführzwecken bereits virtuelle Modelle ihrer Systeme anfertigen lassen, sollten den nächsten Schritt jedoch nicht außer Acht lassen. (heh)

* Johannes H. Diedrich ist Leiter Industrieprojekte bei Synostik.

(ID:50003881)