Die Vorteile des Raspberry Pi 4 für Embedded-Systeme

Autor / Redakteur: Ankur Tomar * / Margit Kuther

Raspberry Pi 4B bietet deutlich mehr Leistung als seine Vorgänger bei gleicher Benutzerfreundlichkeit. Er ist daher ein attraktives Angebot für Entwickler, die auf der Suche nach einer Standardlösung sind.

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Raspberry Pi 4 B: bietet echtes GBit-LAN, bis 4 GB DDR4-RAM und Dual-Monitorbetrieb.
Raspberry Pi 4 B: bietet echtes GBit-LAN, bis 4 GB DDR4-RAM und Dual-Monitorbetrieb.
(Bild: Farnell)

Raspberry Pi ist die weltweit beliebteste PC-Platine. Bereits das erste Modell, Raspberry Pi B, das 2012 auf den Markt kam, fand innerhalb weniger Wochen bei Makern reißenden Absatz. Inzwischen erobert Raspberry Pi auch die Industrie. Wie bei privaten Einzelnutzern war einer der Gründe für die wachsende Beliebtheit des Raspberry Pi in Unternehmen, die Embedded-Systeme entwickeln, die Leichtigkeit, mit der Entwickler mit der Anwendungsprogrammierung beginnen konnten.

Anstatt dafür Cross-Compiler-Tools mit dem zugehörigen Setup zu verwenden, konnten Benutzer den Raspberry Pi mittels USB-Tastatur und HDMI-Monitor einfach an ein Ethernet- oder WiFi-Netzwerk anschließen. Durch das Booten in ein Linux-Image, das im Flash-Speicher einer SD-Karte des Raspberry Pi bereitgestellt wird, erhält der Entwickler mit einem einfachen Befehl vom Terminal aus vollständige Open-Source-Toolsuiten wie Eclipse. Mit diesen Tools lassen sich Anwendungen in der Linux-Umgebung einfach bearbeiten, kompilieren und debuggen.

Hochleistungsfähige Embedded-Verarbeitung

Jede Generation des Raspberry Pi stellt mehr Leistung bei geringerem Stromverbrauch für Embedded-Lösungen bereit. Dies ist auf die Verwendung von Multicore-SoCs zurückzuführen, die für mobile Geräte entwickelt wurden, sowie auf die einfache Entwicklung und die niedrigen Kosten, für die der Raspberry Pi bekannt ist. Der Raspberry Pi 4 Model B verwendet einen der leistungsstärksten Prozessorkerne von Arm in Quad-Konfiguration und nutzt den 28-nm-Halbleiterprozess mit hoher Dichte, bei dem jeder 64-Bit-Prozessorkern mit bis zu 1,5 GHz betrieben wird. Die Kombination aus fortschrittlichem Kern mit Superskalarität, Quad-Core-Verarbeitung und Taktrate bedeutet, dass die Platine dreimal schneller läuft als ihr Vorgängermodell, der Raspberry Pi Model 3 B+.

Umfassende Peripheriegeräte mit HAT-Schnittstelle

Dank des hochintegrierten Designs des System on Chip (SoC) und seiner Hilfsgeräte umfasst der Raspberry Pi 4B eine Reihe von leistungsstarken Peripheriegeräten. Der Computer bietet zwei Mikro-HDMI-Anschlüsse, die jeweils Display-Auflösungen von bis zu 4K unterstützen, zwei USB-3.0-Anschlüsse und Gigabit-Ethernet-Konnektivität sowie WiFi, das echte Datenübertragungsgeschwindigkeiten von mehr als 100 Mbps bietet. Darüber hinaus verfügt Raspberry Pi 4 über dieselbe 40-polige GPIO-Stiftleiste wie ältere Modelle, die allgemein als HAT-Schnittstelle bezeichnet wird. Dank zusätzlicher gemultiplexter UART-, I2C- und SPI-Peripheriegeräte können Anwender dem Raspberry Pi weitere benutzerdefinierte Funktionen hinzufügen.

Als leistungsstarke und gleichzeitig kostengünstige Plattform mit einer Vielzahl von E/A-Anschlüssen unterstützt der Raspberry Pi 4 eine Reihe von rechenintensiven Embedded-Anwendungen wie Künstliche Intelligenz (KI), Maschinelles Lernen und Sensorfusion sowie Video- und Audioverarbeitung, und das sowohl einzeln als auch in Kombination.

Bei industriellen Steuerungen können Entwickler mit maschinellen Lernfunktionen eine vorausschauende Wartung umsetzen. So kann zum Beispiel ein KI-Modell mit Raspberry Pi 4 Probleme erkennen und Wartungspersonal frühzeitig vor möglichen Störungen warnen. Dieses System beruht auf einer Echtzeitanalyse der Sensordaten von der überwachten Maschine. Anstatt darauf zu warten, dass die Maschine ausfällt, und einen Ausfall in Zeiten hoher Aktivität in Kauf zu nehmen, können anhand des Zustands des Systems frühzeitige Eingriffe für einen Zeitraum geplant werden, in dem die Maschine nicht für die Produktion benötigt wird.

Der Vorteil der KI-basierten Verarbeitung

Obwohl das Konzept der Zustandsüberwachung bereits von einigen Anwendern ergründet wurde, haben sich traditionelle Ansätze auf die Erstellung algorithmischer Modelle gestützt, mit denen festgestellt werden kann, wann die Sensorwerte einen Hinweis auf Verschleiß oder Ausfall geben. Die Erstellung dieser Modelle ist allerdings schwierig und die Lösungen weisen einige Schwächen auf, denn während sie bestimmte Probleme erkennen können, erfassen sie andere nicht, wenn es keine offensichtlichen Anzeichen gibt. Der Vorteil der KI-basierten Verarbeitung besteht darin, dass sie Muster in komplexen Datensätzen findet, die sich normalerweise nicht für deterministische Analysen eignen. Solche Modelle integrieren das Konzept der Sensorfusion problemlos, bei dem verschiedene Eingaben kombiniert werden. Die Verwendung der Sensorfusion geht über Messwerte wie Beschleunigung oder Vibration hinaus. Bilddaten können auch durch Maschinelles Lernen integriert werden, um die Lokalisierung von Roboter- und Inspektionssystemen zu verbessern.

Geschützt: Für Raspberry Pi gibt es verschiedenste Gehäuse.
Geschützt: Für Raspberry Pi gibt es verschiedenste Gehäuse.
(Bild: Farnell)

Bei industriellen Computer-Vision-Anwendungen kann beispielsweise ein Qualitätsprüfer am Ende einer Fertigungslinie neben Bildern eines zusammengebauten Produkts auch Daten von mehreren Sensoren verwenden, die während der Montage aufgezeichnet wurden, um zu beurteilen, ob das Produkt in Ordnung ist oder nicht. Auf diese Weise kann das Modell jene Faktoren beurteilen, die zu Problemen beitragen, die wiederum zu Fehlern vor Ort führen können. So stellt zum Beispiel ein kleiner Fehler in der Oberflächenbeschaffenheit möglicherweise selbst kein Problem dar. Wenn die Temperatur des Schlüsselprozesses zu Beginn der Produktherstellung jedoch in der Nähe eines Grenzwerts lag, kann dies auf ein Problem hindeuten, das weiterer Nachforschungen bedarf, bevor das Produkt für den Verkauf verpackt werden kann.

Die Verwendung einer Plattform wie dem Raspberry Pi 4 bietet den Vorteil, dass eine hohe Leistung bereitgestellt wird, die für datenintensive Anwendungen erforderlich ist. Dies ist sowohl auf die hohe Taktrate und die Quad-Core-Verarbeitung als auch auf die in die Arm-A72-Architektur integrierten Single-Instruction-Multiple-Data-Beschleuniger (SIMD) zurückzuführen.

Linux als Türöffner für TensorFlow und Caffe

Da Raspberry Pi Standard-Linux-Distributionen ausführen kann, können Entwickler auf dieselben Plattformen wie bei der Entwicklung serverbasierender Anwendungen zurückgreifen. Dies öffnet die Tür zu TensorFlow von Google, Caffe von Berkeley AI Research Caffe und anderen weit verbreiteten Frameworks für Maschinelles Lernen. YOLO bietet Unterstützung für die Echtzeit-Objekterkennung in Bildern und wurde in zahlreichen Forschungsprojekten für automatisiertes Fahren eingesetzt. DeepSpeech ist die Speech-to-Text-Engine von Mozilla, die die häufig für audio-basierende Aufgaben verwendete wiederkehrende RNN-Architektur (Rekurrente Neuronale Netzwerke) nutzt. Diese und andere Modelle sind quelloffen in Speichern wie Github frei verfügbar.

Das Potenzial für vernetzte Anwendungen

MobileNets ist unter Embedded-Entwicklern, die Linux ins Auge fassen, eine gängige Wahl, da es einen leistungsfähigen Kompromiss zwischen Effektivität und Effizienz auf mobilen Plattformen bietet. Beim Upgrade auf den Raspberry Pi 4 vervierfachen sich die Inferenzgeschwindigkeiten nahezu, im Vergleich zur älteren Hardware-Generation, und können sich mit dedizierten Embedded-DDN-Plattformen wie dem Jetson Nano von nVidia messen.

Tag- und Nachtkamera für Raspberry Pi: Dem Modul für Nachtaufnahmen fehlt der Infrarotfilter.
Tag- und Nachtkamera für Raspberry Pi: Dem Modul für Nachtaufnahmen fehlt der Infrarotfilter.
(Bild: Farnell)

Obwohl der Raspberry Pi 4 eine höhere Leistung für Anwendungen wie DNNs bietet, ist die Vorverarbeitung ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung effizienter Anwendungen für Maschinelles Lernen. Bei Bilddaten trägt die von der integrierten Grafikprozessoreinheit (GPU) bereitgestellte Bildsensorpipeline dazu bei, die Leistung zu steigern. Durch Frameworks wie OpenCV, die über Module verfügen, die dies nutzen, kann die Pipeline für allgemeine Pixelverarbeitungsaufgaben, zum Beispiel Bildentzerrung und Beleuchtungsänderung, bereitgestellt werden. Beides verbessert die Genauigkeit von MobileNet und anderen Erkennungs- und Erfassungsmodellen erheblich und gleicht nicht optimale Kamerapositionen oder anspruchsvolle Beleuchtungsbedingungen aus.

Die Hardware-Unterstützung für Protokolle wie H.265 bietet die Möglichkeit, Bild- und Audiodaten für die Übertragung auf andere Geräte im Netzwerk, die zusätzliche Erkennungs- oder Verarbeitungsdienste bereitstellen, zu komprimieren, oder kann einfach zur Unterstützung von Verbraucheranwendungen verwendet werden.

Der Raspberry Pi 4 verfügt über die Funktionalität, um vernetzte Geräte, wie einen intelligenten Spiegel oder eine intelligente Pinnwand, zu Hause zu verwenden. Dies ermöglicht eine brauchbare Kombination intelligenter Lautsprecher mit einer Lösung, die nicht nur auf Ton, sondern auch auf einen Live-Video-Feed von einer Kamera reagieren kann. Während der Benutzer in den Spiegel schaut, um sich die Haare oder Kleidung zurecht zu machen, gleicht das maschinelle Lernmodell im Raspberry Pi hinter dem Spiegel das Gesicht der Person in seiner Datenbank ab.

Wenn dieser Vorgang erfolgreich ist, kann die Lösung relevante Informationen abrufen und beispielsweise mithilfe des Google Assistant-Moduls Text-to-Speech-Software nutzen, um den Benutzer über das Wetter, Nachrichten, den bevorstehenden Arbeitszeitplan oder die voraussichtliche Zeit für seine tägliche Pendelstrecke zu informieren. Gleichzeitig kann die Lösung wichtige Termine oder die Abfahrtszeit des nächsten Zuges oder Busses anzeigen. Als vernetztes Gerät kann der Spiegel auch als Gateway fungieren und Informationen über Bluetooth oder WiFi an das Tablet oder Mobilgerät des Benutzers senden.

SD-Kartenslot: Raspberry Pi bootet sein Betriebssystem via SD-Karte.
SD-Kartenslot: Raspberry Pi bootet sein Betriebssystem via SD-Karte.
(Bild: Farnell)

Der Raspberry Pi muss jedoch nicht hinter dem Spiegel montiert werden, sondern kann auch in einem Heimserver installiert sein, der die Sicherheitsalarme und Energiemesstechnik überwacht und gleichzeitig Bild- und Audioerkennungsdienste für vernetzte Spiegel, die mit eingebauten Kameras und Mikrofonen ausgestattet sind, mithilfe von H.265-Komprimierung bereitstellt, um Echtzeitdaten zu verschlüsseln.

Ähnliche Konfigurationen sind im industriellen Umfeld grundsätzlich denkbar. Beispielsweise kann ein Produktionsüberwachungssystem in einem Gateway-Modul implementiert werden, das Rechendienste für Kameras bereitstellt, die an verschiedenen Stellen im Fertigungsbereich montiert sind. Diese fordern das Gateway oder industrielle Server auf, Bilderkennungs- und Analyseaufgaben auszuführen, während Produkte darunter vorbeilaufen. Alternativ können die Rechenfunktionen in Computer-Vision-Modulen installiert werden, die an Werkzeugmaschinen oder Inspektionssystemen angebracht sind, um die Latenz in Hochleistungsumgebungen zu verringern. Über die HAT-Erweiterungsanschlüsse kann der Raspberry Pi Industrienetzwerke und Feldbusse wie CAN, Modbus, Profibus und EtherCAT unterstützen, sodass sich das Modul problemlos in vorhandene Infrastrukturen integrieren lässt.

Ein weiterer Vorteil der Verwendung einer Linux-fähigen Platine wie Raspberry Pi ist die Möglichkeit, Software mithilfe von Docker und ähnlichen Frameworks in Containern einzusetzen.

Datentransfer: Raspberry P 4B bietet (von links) 2 x USB 2, 2 x USB 3 und Gigabit Ethernet.
Datentransfer: Raspberry P 4B bietet (von links) 2 x USB 2, 2 x USB 3 und Gigabit Ethernet.
(Bild: Farnell)

Containerisierte Anwendungen für Embedded-Systeme

Container wie diese vereinfachen die Anwendungsbereitstellung, indem sie ein einheitliches Betriebssystem-Image für verschiedene Hardwareimplementierungen bereitstellen. Sie erhöhen zudem die Sicherheit, da Anwendungen in ihren eigenen Containern isoliert werden können. Dadurch können Softwaremodule verschiedener Hersteller einfacher in ein System integriert werden, wobei sichergestellt wird, dass sie sich nicht gegenseitig stören. Angepasste Versionen bestehender Pi-Module, wie das Smart- Edge IoT-Gateway von Avnet, fügen Sicherheitselemente hinzu, die auf dem TPM 2.0 beruhen, um den Schutz vor unbefugtem Zugriff weiter zu verbessern. Durch Unterstützung von Public-Key-Verschlüsselung kann das TPM-2.0-Modul beispielsweise sicherstellen, dass nur zugelassene Betriebssysteme gestartet werden.

Nachdem der Raspberry Pi ursprünglich als Bildungsressource entwickelt wurde, ging sein wachsender Einsatz in industriellen Anwendungen mit Versorgungszusicherungen einher, die Märkte wie diese erfordern. Demzufolge wird garantiert, dass jede Generation des Raspberry Pi mindestens fünf Jahre lang hergestellt wird.

Meilensteine des Raspberry Pi: Seit 2012 verkaufte die Raspberry Pi Foundation weltweit fast 30 Millionen Stück der Mini-PC-Platine, von der es zwischenzeitlich verschiedenste Varianten gibt.
Meilensteine des Raspberry Pi: Seit 2012 verkaufte die Raspberry Pi Foundation weltweit fast 30 Millionen Stück der Mini-PC-Platine, von der es zwischenzeitlich verschiedenste Varianten gibt.
(Bild: Farnell)

Langfristiger Support und eine starke Marke

Natürlich geht es bei der Überlegung, den Raspberry Pi für industrielle Anwendungen zu nutzen, nicht nur um die Leistung. Die Marke selbst, die ins Leben gerufen wurde, um neue Möglichkeiten zu schaffen und die Bildung im Bereich der Elektronik zu fördern, steht für integrierte Kreativität und Innovation sowie natürlich für Zuverlässigkeit. Unter geschäftlichen Gesichtspunkten spricht sehr vieles für den Raspberry Pi, wenn man die niedrigen Kosten, die hohe Leistung und die starke Kompatibilität mit Desktop- und Server-Entwicklungsumgebungen zusammennimmt. Der Raspberry Pi kann damit ohne Kompromisse zum Herzstück vieler Embedded-Lösungen werden.

Dieser Beitrag ist erschienen im Sonderheft Embedded Systems Development und Internet of Things I der ELEKTRONIKPRAXIS (Download PDF)

* Ankur Tomar ist Regional Solutions Marketing Manager bei Farnell

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