Ethernet-Vernetzung Gigabit-Power-over-Ethernet EMV-gerecht realisieren

Von Adrian Stirn 9 min Lesedauer

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Gigabit-Ethernet ist ein weit verbreiteter Vernetzungsstandard für die Datenübertragung. Eine elegante Lösung ist es, gleichzeitig über ein und dasselbe Kabel auch die Stromversorgung zu realisieren, wie es bei „Power-over-Ethernet“ (PoE) der Fall ist. Dabei müssen auch EMV-Aspekte ausreichend berücksichtigt werden.

EMV: 
Beim Design einer Ethernet-Schnittstelle kommen oftmals Fragen zum Schirmanschluss des Kabels und dem Design des Front Ends, besonders in Hinblick auf die Masseverbindungen auf.
EMV: 
Beim Design einer Ethernet-Schnittstelle kommen oftmals Fragen zum Schirmanschluss des Kabels und dem Design des Front Ends, besonders in Hinblick auf die Masseverbindungen auf.
(Bild: Würth)

Um die EMV-Eigenschaften der Gigabit-Power-over-Ethernet-Schnittstelle zu untersuchen, wurde bei Würth Elektronik mit dem Board RD022 ein eigenes Referenzdesign[3] entwickelt und realisiert (Bild 1). Dieser „GB-PoE+-Ethernet-USB-Adapter“ wurde auf Basis des Referenzdesigns RD016 „GB-Ethernet-USB Adapter“ [1] konzipiert. Er arbeitet ohne Power-over-Ethernet-Funktion (PoE).

Das Referenzdesign „GB-PoE+-Ethernet-USB-Adapter“ verfügt über drei Schnittstellen:

  • USB-Type-C (USB 3.1),
  • RJ45/Ethernet-1-Gigabit mit integrierter Power-over-Ethernet-Versorgung (PoE+),
  • Klemme zum DC/DC-Wandler, mit einer einstellbaren Ausgangsspannung von 6 bis 18 V und einer maximalen Ausgangsleistung von 25 W.

Das Board wurde dazu entwickelt, um Anwender mit der PoE-Technologie vertraut zu machen. Wie schon beim Design-Konzept ohne PoE, lassen sich auch bei diesem Referenzdesign die Bitfehlerrate und die Übertragungsgeschwindigkeit mit Hilfe einer Windows-Applikation überprüfen.

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Die EMV-Bewertung des PoE-Referenzdesigns erfolgte in zwei Schritten. Zuerst wurde das Board mit Stromversorgung ohne zusätzliche Filter geprüft. Während der Prüfungen erfolgten Optimierungen, die später noch erläutert werden. Die Schaltpläne dazu finden sich in [4]. Das Referenzdesign RD022 basiert bereits auf dem optimierten Design [3].

Das EMV-Verhalten der Gigabit-Ethernet-Schnittstelle wurde bereits anhand der Referenzdesign-Beschreibung RD016 und Application Note ANP116 ausführlich diskutiert. Die dort gewonnenen Erkenntnisse zur Schirmanbindung, Kabelschirmung und Leistungsfähigkeit des Ethernet-Front-Ends sind auch für die PoE-Version gültig. Die ideale Schirmanbindung, die in der ANP116 mit zwei 10-nF-Kondensatoren und einem parallelen SMD-Varistor ermittelt wurde, kommt auch hier zum Einsatz.

EMV-Grundlagen für PoE

PoE-Applikationen sind normalerweise kompakte elektronische Geräte, deren Energieversorgung mit der Datenkommunikation auf einer Ethernet-Schnittstelle gekoppelt ist. Daher handelt es sich meist um Multimediageräte, die in der EMV-Normung CISPR 32 (Emission) und CISPR 35 (Störfestigkeit) unterliegen. Die Geräte sind eher kompakt und haben außer dem Ethernet-Kabel kurze Leitungen. Typische Beispiele sind WiFi-Access Points, DECT-Stationen, IP-Telefone, Überwachungskameras sowie die Überwachung des Raumklimas in Lager- und Produktionsstätten.

Ein IP-Telefon ist ein Beispiel für ein PoE-Gerät mit verhältnismäßig großen Dimensionen, da die Leitung des Telefonhörers zusammen mit der Platine im Telefon eine relativ große Struktur darstellt, die als Antenne wirksam werden kann. Im Vergleich dazu ist eine DECT-Station eher als kompakt einzuordnen. Daraus ergeben sich zwei mögliche Betrachtungen des Referenz-Designs während der EMV-Prüfungen:

  • Kurze Ausgangsleitung oder kompakter Lastwiderstand (Point of Load) – kompakte Applikation,
  • Lange Ausgangsleitungen am Lastausgang – entspricht einer größeren PoE-Applikation.

Der Vorteil bei Verwendung von langen Leitungen und einem Schiebewiderstand während der EMV-Prüfungen besteht darin, dass die Belastung des Schaltreglers nachjustiert werden kann und sich so immer die maximale Leistung abrufen lässt. Bei der Verwendung eines kompakten TO220-Widerstands ist die Last auf 10 Ω festgelegt.

EMV-Prüfaufbau und Betriebsparameter

Der in Bild 2 gezeigte schematische Prüfaufbau ähnelt dem bei der Prüfung der Gigabit-Ethernet-Schnittstelle verwendeten Prüfaufbau und wurde lediglich um den PoE-Switch und die Last erweitert. Der Fokus während der EMV-Prüfungen liegt auf der Ethernet-Schnittstelle, dem Board des PoE-Referenzdesigns sowie verschiedenen Lastkonfigurationen. Die USB-Schnittstelle wird als kurze Leitung betrachtet, der Fokus liegt während der Prüfungen auf dem Ethernet-Front-End. Da die USB-Schnittstelle zum Betrieb des Boards benötigt wird, wird sie in vielen Prüfungen mitbewertet.

Während der Störfestigkeitsprüfungen stellte sich heraus, dass bei einem Betrieb mit hohen Störfestigkeitspegeln eine direkte Verbindung zwischen dem USB-Kabelschirm und der Platinen-GND-Lage benötigt wird. Nur mit einer direkten Schirmanbindung bleibt die Schnittstelle auch bei hohen Prüfpegeln wie 20 V/m über 1 GHz in einem stabilen Betriebsmodus.

Die Lastleitungen werden mit einer Leitungslänge von 2 bis 3 m bei der gestrahlten Störaussendung und Störfestigkeit bemessen und sollen im Sinne der EMV als kurz (Leitungslänge unter 3 m) verstanden werden. Eine Burst- oder leitungsgeführte HF-Einkopplung wird auf dem Spannungsausgang des Boards nicht durchgeführt.

Die zum Betrieb des Boards benötigten Notebooks und der PoE-Switch werden in einer Schirmbox betrieben, um deren Einflüsse auf die Ergebnisse der EMV-Prüfungen möglichst auszuschließen.

Emissions-Einfluss der Ausgangsspannung

Aus Bild 3 geht hervor, dass die Störaussendung des Boards bei 12 V und einem Ausgangsstrom von 2 A höher ist als bei 18 V und einem Ausgangsstrom von 1,3 A. Aus diesem Grund werden einige Betrachtungen, wie beispielsweise ein Filterdesign, bei 12 V und nicht bei 18 V durchgeführt.

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Ausgangsfilter für lange Leitungen

Der isolierte Schaltregler auf dem Board hat keinen Ausgangsfilter. Wenn man lange Leitungen und einen Lastwiderstand anschließt, können die Störungen vom Ausgang des Schaltreglers direkt abgestrahlt werden. Aus diesem Grund kann bei großen Designs oder Schaltungen mit Kabeln ein Ausgangsfilter nötig sein. Mit dem Filter aus Bild 4 lassen sich die abgestrahlten Störungen reduzieren. Dies ergibt einen größeren Abstand zum Klasse-B-Grenzwert der CISPR 32.

Für größere Geräte empfiehlt sich ein Ausgangsfilter mit folgenden Komponenten:

  • Ferrite Bead 1812 mit 780 Ohm bei 100 MHz (742792515),
  • MLCC 4,7 µF X5R 50 V (885012209048),
  • Gleichtaktdrossel für Signalleitungen mit 17 µH (744237152).

Die Kondensatoren um die Gleichtaktdrossel bilden mit deren Streuinduktivität einen differenziellen Filter. Gleichzeitig werden eventuelle Kopplungen durch magnetische Streufelder der Platine in den Filter, die zu einem differenziellen Strom führen würden, kurzgeschlossen.

Verwendet man statt der langen Leitungen mit Filter einen Lastwiderstand mit kurzen Leitungen oder einen TO220-Widerstand, ändert sich die Emission.

Die Verringerung der Baugröße der Lastwiderstände führt nicht zu einer Verbesserung der Emission, wenn auf einen Ausgangsfilter verzichtet wird. Die Emission mit gefilterten langen Lastleitungen fällt teilweise niedriger aus als mit kompakten Lastwiderständen.

Leitungsgeführte Störaussendung

Bei der Emissionsprüfung der leitungsgeführten Störaussendung (Bild 5) verhält sich das Board ohne weitere Maßnahmen mit geschirmter Ethernet-Leitung grenzwertig und der Grenzwert wird bei der Verwendung von ungeschirmten Leitungen sogar überschritten.

Der Grund für dieses Verhalten ergibt sich aus dem Design des isolierten Wandlers. Der isolierte DC/DC-Wandler der PoE-Platine ist ohne Ausgangsfilter mit dem Digitalteil der Schaltung verbunden. Auf dem Digital-GND wird der USB-Schirm angeschlossen. Die Schirmbox, die mit dem USB-Kabelschirm verbunden ist, nimmt die größte Dimension des Aufbaus ein. Über die Streukapazität der Schirmbox zur Metallwand der Kabine ergibt sich eine Gleichtakt-Schleife, deren Ursache der Übertrager des isolierten Wandlers ist.

Die Streukapazität des isolierten Wandlers ist die Quelle des Koppelpfads der Störung, von der der Störstrom vom Schalttransistor auf den sekundärseitigen Schaltungsteil des Wandlers fließt (Digitalteil) und dann über den USB-Kabelschirm und die Schirmbox auf die Referenzmasse (Schirmraum) koppelt.

Der Rückstrompfad zur Quelle ergibt sich aus dem Ethernet-Kabel und dessen Abschluss mittels AAN (Asymmetric Artificial Network – 150-Ohm-Gleichtakt-Impedanz). Der Spannungsabfall über dem CDN (Koppel-/Entkoppelnetzwerk) wird dann als Störspannung gemessen. Dieser Störstrompfad ist in Bild 6 dargestellt und beispielhaft für eine Fläche von 1 m² berechnet.

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Der Strom in der Schleife aus Bild 6 wird größer, wenn die Sekundärseite des isolierten Wandlers auf Referenzmasse gelegt wird – beispielsweise über eine Erdung des USB-Schirms. Der Störstrom steigt, wodurch auch der Spannungsabfall in dem AAN steigt. Mit einer Erdung der Sekundärseite lässt sich das höchste Störpotential provozieren.

Dies führt dazu, dass die Stromversorgung auf dem PoE-Board mit einem Filter erweitert wurde, um zu gewährleisten, dass die Grenzwerte der leitungsgeführten Störaussendung eingehalten werden. Mit diesen Maßnahmen ergibt sich der Aufbau des Boards nach Bild 7:

1. Ein Kupferblech wird als Bezugsmasse unter der Platine montiert und mit dem Schirm der Ethernet-Leitung verbunden.

2. Der Eingangsfilter des DC/DC-Wandlers an der Diodenbrücke des PoE-Steckverbinders wird erweitert um eine Gleichtaktdrossel mit 1 mH [744222] sowie einen 100-V-MLCC mit 150 nF [885012208119] zwischen VCC,in und GNDin. Die Ferrite werden beibehalten. Hinzu kommt noch ein 2-kV-MLCC mit 4,7 nF [885342211008] zur Schirmplatte.

3. Es wird ein zusätzlicher Koppelkondensator zwischen Primär- und Sekundär-GND parallel zum Übertrager eingesetzt (4,7 nF; 2-kV-MLCC [885342211008]). Die Streukapazität des Übertragers ist relativ hoch und es könnte sogar noch ein größerer Kondensator eingesetzt werden.

4. Der USB-Leitungsschirm wird direkt mit der GND-Lage verbunden und mittels Kondensator (4,7 nF 2-kV-MLCC [885342211008]) an die Schirmplatte angebunden.

Der Kondensator zum Kurzschließen der primären und sekundären GND-Lage sollte prinzipiell deutlich (typ. Faktor 100) größer sein als die Streukapazität eines Übertragers. Bei einer Isolationsspannung von 2 kV wird dies bei größeren Streukapazitäten schwierig, weshalb generell bei isolierten Netzteilen und Wandlern auf niedrige Streukapazitäten des Übertragers zwischen Primär- und Sekundärseite geachtet werden sollte.

Prüfung der Störfestigkeit

Die Kriterien zur Leistungsfähigkeit der Gigabit-Ethernet-Schnittstelle können für dieses Board aus [2] übernommen werden und müssen lediglich noch um die Stabilität der Spannungsversorgung erweitert werden.

In Bild 8 ist die Überwachung der Fehler- und Datenrate über den Prüfzeitraum aufgezeigt. Bedingt durch die im Ethernet-Protokoll genutzten Korrektur- und Steuerbits können im ungestörten Zustand bei maximaler Leistung der Notebooks circa 850 MBit/s übertragen werden. Durch den zusätzlichen PoE-Switch ergeben sich Geschwindigkeitseinbrüche, die nicht auf äußere Störeinflüsse zurückzuführen sind.

Treten diese Störungen während der Prüfung auf (rot markiert in Bild 8), müssen die entsprechenden Frequenzpunkte erneut geprüft werden. Nur so kann bei einer Einwirkzeit von 3 s unterschieden werden, ob die Geschwindigkeitsreduzierung bedingt durch die Störgröße oder durch Effekte in der Hilfsausrüstung wie dem PoE-Switch auftritt. Zur Überprüfung des DC/DC-Wandlers werden Spannungsgrenzen von Uout ±0,5 V als akzeptabel angenommen.

Messzeit, Emissionsprüfung und Einwirkzeit

Die durch die in der Software LabView definierte Datenübertragung aus einem Daten-String zur Geschwindigkeits- und Fehlerratenmessung ergibt eine Betrachtungszeit von 2 s: 1 s Fehlerrate, 1 s Geschwindigkeit. Um beide Zustände sicher in der Emission und Störfestigkeit zu messen, wird wie auch schon beim Gigabit-Ethernet-Design [1] eine Emissionsmesszeit und eine Einwirkzeit der kontinuierlichen Störgrößen von 3 s ausgewählt.

EMV-Verhalten des Referenzdesigns

Die umfänglichen EMV-relevanten Prüfungen würden den Rahmen dieses Artikels sprengen und sind in [4] ausführlich dargestellt. Die App-Note schildert das EMV-Verhalten des Referenzdesigns RD022 „GB-PoE+-Ethernet-USB-Adapter“ und beleuchtet folgende Aspekte im Detail:

  • Leitungsgeführte Störaussendung,
  • gestrahlte Störaussendung,
  • gestrahlte Störfestigkeit,
  • Störfestigkeit gegen Burst,
  • Störfestigkeit gegen Surge,
  • Störfestigkeit gegen kontinuierliche leitungsgeführte Störgrößen,
  • weitere Verbesserungen des EMV-Verhaltens.

Fazit: Empfehlungen für eine hohe Störfestigkeit

Der Leitungstyp beeinflusst nicht zwangsläufig das EMV-Verhalten. Allerdings stechen die Unterschiede zwischen geschirmter und ungeschirmter Ethernet-Schnittstelle hervor. Bei Prüfungen mit ungeschirmten Leitungen sind die gemessenen Störpegel in der Störaussendung deutlich höher und die Immunitätslevel geringer.

Eine direkte Schirmanbindung und unmittelbare, kurze und niederimpedante Verbindung zwischen Ethernet-Buchse und Groundplane ist aus EMV-Sicht ideal. Eine kapazitive Schirmkontaktierung mit einem Kondensator sollte beidseitig erfolgen. Empfohlen wird eine Kontaktierung mit zwei 10-nF-Kondensatoren, um auch im niedrigeren Frequenzbereich eine niedrige Impedanz und somit Kontaktierung zu ermöglichen.

Für eine hohe Störfestigkeit gegen kontinuierliche Störgrößen wird eine geschirmte Leitung empfohlen. Hierbei war eine CAT5E-SF/UTP-Leitung (3 m bis 5 m) ausreichend. Trotz hoher Störeinkopplung ist eine fehlerfreie und schnelle Datenübertragung möglich. (kr)

Literatur

[1] Zenkner, H.: Gigabit-Ethernet Front End, Referenzdesign RD016, Würth Elektronik: www.we-online.de/RD016

[2] Stirn, A.: Gigabit-Ethernet Schnittstelle unter EMV-Gesichtspunkten, AppNote ANP116, Würth Elektronik: www.we-online.de/ANP116

[3] Zenkner, H.: „GB PoE+-Ethernet-USB“-Adapter für industriellen Einsatz unter EMV-Gesichtspunkten, Referenzdesign RD022, Würth Elektronik: www.we-online.de/RD022

[4] Stirn, A.: Gigabit-Power-over-Ethernet-Schnittstelle unter EMV-Gesichtspunkten, AppNote ANP122, Würth Elektronik: www.we-online.de/ANP122

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