Prototyp eines digitalen Gewächshauses Vertical Farming und Internet der Dinge: Mehr Ertrag mit weniger Ressourcen

Ein Gastbeitrag von Miroslav Adamov, Alexander Gerfer und Adithya Madanahalli* 7 min Lesedauer

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Vertical Farming ist ein vielversprechender Ansatz, um mit geringem Wasser- und Flächenverbrauch zur Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung beizutragen. Ein IoT-vernetzter Prototyp demonstriert, wie Beleuchtung, Bewässerung, Düngung und Klimatisierung optimiert werden können. So lassen sich Erträge steigern.

Der Prototyp einer Indoor-Farming-Box. Parameter wie Beleuchtung, Bewässerung, Düngung und Klimatisierung lassen sich optimal steuern.
Der Prototyp einer Indoor-Farming-Box. Parameter wie Beleuchtung, Bewässerung, Düngung und Klimatisierung lassen sich optimal steuern.
(Bild: Würth Elektronik eiSos)

Eine prognostizierte Weltbevölkerung von fast 10 Mrd. Menschen erfordert laut Welternährungsorganisation (FAO) bis 2050 eine Steigerung der globalen Agrarproduktion um 50 Prozent. Die landwirtschaftlich nutzbare Fläche ist jedoch in den letzten Jahrzehnten sogar zurückgegangen, von fast 40 Prozent der globalen Landfläche im Jahr 1991 auf nur noch 37 Prozent im Jahr 2018 [1].

Um diesen großen Aufgaben zu begegnen, sind Lösungen gefragt. Ein Teil dieser Lösung kann Controlled Environmental Agriculture (kurz CEA) sein. Dazu gehört auch das Indoor Vertical Farming. In sogenannten vertikalen Farmen können frische, nahrhafte Lebensmittel für die Menschen vor Ort, wie in Ballungsräumen, angebaut werden. Diese Form des Anbaus ist auch in Regionen möglich, in denen konventionelle Landwirtschaft nicht funktionieren würde. Sie unterstützt die traditionelle Landwirtschaft und steht nicht in Konkurrenz zu ihr.

Welche Vorteile das Vertical Farming bietet

Diese modernen, mehrstöckigen, digitalisierten Gewächshäuser können nur dann erfolgreich sein, wenn verschiedene Schlüsseltechnologien wie Beleuchtung, Steuerung und Überwachung beherrscht werden. Die offensichtlichsten Vorteile von Indoor Vertical Farming sind der geringe Platzbedarf, die Reduktion des Frischwasserverbrauchs um bis zu 95 Prozent und eine Energieeinsparung von bis zu 70 Prozent, wenn energiesparende LED-Technologie eingesetzt wird.

Würth Elektronik bietet eine breite Palette sogenannter Horticulture LEDs [2] an, deren Farbspektrum optimal auf die Bedürfnisse der Pflanzen abgestimmt ist. Hier betreibt Würth Elektronik auch eigene Forschung, um entsprechende dynamische Lichtrezepte weiter am Markt zu etablieren [3].

Ein Musterbausatz mit Horticulture LED und Funkanbindung ist Grundlage, um für optimale Lichtverhältnisse zu sorgen und durch eine intelligente Lichtsteuerung und optimierte Stromversorgung den Energieverbrauch gering zu halten [4, 5]. Mehr zum Thema Horticulture LED und deren Anwendung findet sich auch in [6 bis 11]. Neben optimalen Lichtbedingungen sind weitere Umweltfaktoren für das Pflanzenwachstum wichtig. Dazu gehören beispielsweise die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit oder auch die Bodenfeuchte. Auch diese Parameter müssen überwacht, gesteuert und dynamisch optimiert werden.

Automatisierung der Landwirtschaft durch das Internet der Dinge

Bild 2: IoT-System-Prototyp für Vertical Farming auf Basis des Feather-Formfaktors.
Bild 2: IoT-System-Prototyp für Vertical Farming auf Basis des Feather-Formfaktors.
(Bild: Würth Elektronik eiSos)

Komplexe Automatisierungen wie die Smart Factory der Industrie 4.0, Smart Buildings oder neue landwirtschaftliche Konzepte benötigen vernetzte Sensoren und Geräte in einem Internet der Dinge (IoT). Im Folgenden wird erläutert, wie der Einsatz von Horticulture-LEDs sowie eine Implementierung der Fernüberwachung und -steuerung des Pflanzenwachstums in Vertical Farms mit Rapid-Prototyping-Tools schnell und kostengünstig realisiert werden kann.

Bild 1 zeigt den Prototyp einer Indoor-Farming-Box. Alle wesentlichen Komponenten der Prototyping-Lösung sind aus einer Hand von Würth Elektronik verfügbar. Die Kernaufgabe jeder IoT-Lösung besteht darin, Daten aus dem Feld in die Cloud zu übertragen, wo deren Analyse den gewünschten Mehrwert für die Anwendung generiert. Um eine solche Anwendung zu realisieren, wurde ein Open Source Hard- und Software-Ökosystem genutzt und eine komplette IoT-Lösung geschaffen.

Dazu kombinierte Würth Elektronik das M0-Express-Feather-Board von Adafruit mit eigenen FeatherWings, also Entwicklungsboards im Feather-Formfaktor mit Sensoren, Funk- und Powermodulen, LEDs und LED-Treibern sowie diversen anderen Sensoren und Komponenten (Bild 2). Die Grundidee ist, ein digitales Anbausystem zu schaffen, das einerseits das Wachstum und andererseits den Strom- und Wasserverbrauch optimiert.

Kontrolliert bewässern und beleuchten

Der Prototyp besteht aus einer Vertical-Farming-Konstruktion auf Basis eines Erdsubstrats mit einem 4-Kanal-LED-Treiber und einem Horticulture LED Design Kit, mit dem sich die für verschiedene Beleuchtungssituationen erforderlichen Lichtspektren einfach mischen lassen.

Die Tröpfchenbewässerung und der Wassertank verwenden recyceltes Wasser, dessen pH- und EC-Werte (Salzgehalt) gemessen, gesteuert und über verschiedene Kommunikationsmodule von Würth Elektronik in die Cloud übertragen werden. Ein Bodenfeuchtesensor überwacht die Bodenfeuchte und eine kleine Pumpe führt dem System bei Bedarf Wasser zu.

Das restliche Wasser wird aufgefangen, gefiltert und in den Tank zurückgeführt. Das Herzstück des Systems ist das Feather-M0-Express-Board von Adafruit mit dem Power-Relais. FeatherWings werden als Schalter eingesetzt. Die Daten werden an die Cloud gesendet, wo sie verarbeitet, analysiert und zur Steuerung der Farm verwendet werden.

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Separate Kanäle und einfarbigen LEDs

Bild 3: Das Beleuchtungssystem für Pflanzenzucht besteht aus einem Array aus einfarbigen LEDs und einem LED-Treiber.
Bild 3: Das Beleuchtungssystem für Pflanzenzucht besteht aus einem Array aus einfarbigen LEDs und einem LED-Treiber.
(Bild: Würth Elektronik eiSos)

Das Beleuchtungssystem (Bild 3) besteht aus einem Horticulture LED-Panel mit vier separaten Kanälen mit speziellen einfarbigen Horticulture LEDs und dem MagI³C Multi-Color LED-Treiber. Beide sind Bestandteil des Lighting Development Kits von Würth Elektronik [2]. Der LED-Treiber mit Step-Down Power Modul aus der MagI³C-Serie ermöglicht es, die Intensität und Farbe jedes der vier LED-Stränge individuell einzustellen, um den Anforderungen der Anwendung gerecht zu werden und die Lichtrezepte an das Pflanzenprofil anzupassen.

Das Horticulture Panel besteht aus sechs hyperroten (660 nm), vier fernroten (730 nm), zwei tiefblauen (450 nm) und vier weißen Keramik-LEDs. Das System kann über Bluetooth, WLAN oder eine Mobilfunkverbindung gesteuert werden.

Das Thema Bewässerung

Bild 4: Der Differenzdrucksensor WSEN-PDUS ist ein sehr genauer, piezoresistiver Sensor auf MEMS-Basis.
Bild 4: Der Differenzdrucksensor WSEN-PDUS ist ein sehr genauer, piezoresistiver Sensor auf MEMS-Basis.
(Bild: Würth Elektronik eiSos)

Bild 5: Bewässerungssystem mit Sensoren, Wassertank, Pumpe und Steuerplatinen.
Bild 5: Bewässerungssystem mit Sensoren, Wassertank, Pumpe und Steuerplatinen.
(Bild: Würth Elektronik eiSos)

Der Füllstand des Wassertanks wird mit dem Differenzdrucksensor WSEN-PDUS gemessen. Dabei handelt es sich um einen sehr genauen piezoresistiven Sensor auf MEMS-Basis (Bild 4). Zusätzlich drückt eine 12-V-Pumpe das nährstoffreiche Wasser über einen Durchflusssensor in den Tropfbehälter. Die Wasserqualität wird mit den pH- und EC-Messgeräten DFR-05874 oder DFR-0300 aus der Gravity-Serie von DFRobot überwacht. Die meisten natürlichen Gewässer haben einen pH-Wert zwischen 5 und 8.

Der allgemein akzeptierte pH-Wert für Bewässerungswasser liegt zwischen 5,5 und 7,5, aber die besten Ergebnisse wurden mit pH-Werten zwischen 5,5 und 7 erzielt. Wasser in diesem pH-Bereich erhält das Nährstoffgleichgewicht, bietet eine wirksame chemische Desinfektion und verhindert Kalkablagerungen in Bewässerungssystemen [12].

Fertigation ist ein Kofferwort aus den Begriffen Düngung (Fertilization) und Bewässerung (Irrigation). Aufgrund der geringen Substratoberfläche erfordert die Fertigation eine gute Bewässerung und viel Dünger, der dem Bewässerungswasser zugesetzt wird. Mit einem EC-Messgerät kann eine Unter- oder Überversorgung des Bewässerungswassers mit Düngemitteln festgestellt werden. Die elektrische Leitfähigkeit (EC) ist ein Maß für die Ionenkonzentration im Wasser und misst die Fähigkeit des Wassers, elektrischen Strom zu leiten.

Je reiner das Wasser, desto niedriger die Leitfähigkeit. Zur Messung der Bodenfeuchte wurde der kapazitive Bodensensor Stemma der Firma Adafruit verwendet. Bei der kapazitiven Messung wird nur eine Sonde verwendet, es gibt kein freiliegendes Metall, das oxidieren könnte, und es wird kein Gleichstrom in die Pflanzen eingeleitet. Die Steuerung der Pumpe erfolgt automatisch und direkt über die Cloud. Die Betriebszeit der Pumpe wird auf der Grundlage der Anzahl der Pflanzen, der erforderlichen Bodenfeuchte und des Pumpendurchsatzes berechnet (Bild 5).

Sensoren überwachen die Umweltdaten

Kohlendioxid wird in großen Mengen für Anreicherungs- und Extraktionsprozesse benötigt. Diese Prozesse beschleunigen das Pflanzenwachstum und CO2 dient als Begasungsmittel. Bei der Anreicherung wird in der Regel ein CO-Gehalt von 800 bis 1.500 ppm eingestellt, um das Wachstum um 20 bis 30 Prozent zu beschleunigen. Die Erhöhung des Gesamtstoffwechsels hilft den Pflanzen, den Auswirkungen der Hitze zu widerstehen. Größere, gesündere und robustere Pflanzen vertragen extreme Umwelteinflüsse besser. Ein erhöhter Stoffwechsel der Pflanzen bedeutet aber auch zusätzliche Anforderungen. Die Pflanzen benötigen nicht nur mehr Wasser und Nährstoffe, sondern auch zusätzliche Belüftung.

Der CO2-Gehalt des Systems wurde mit dem Luftqualitätssensor SPG30 von Adafruit in Verbindung mit dem FeatherWing-Sensor von Würth Elektronik gemessen und online überwacht. Es ist zu beachten, dass der Sensor den äquivalenten CO2-Gehalt misst. Dieser eCO2-Wert wird aus der H2-Konzentration berechnet, es handelt sich also nicht um einen realen CO2-Sensor für den Laboreinsatz.

In jedem Wachstumsstadium benötigt eine Pflanze unterschiedliche Licht- und Wärmebedingungen. Die meisten Pflanzen tolerieren normale Temperaturschwankungen, und die optimalen thermischen Bedingungen für das Pflanzenwachstum können nicht nur von Phase zu Phase, sondern auch im Tagesverlauf variieren. Eine Optimierung kann durch Messung der Temperatur und Optimierung der Tageszyklen erreicht werden.

Bei ausgeschaltetem Licht sollte die Temperatur um einige Grad niedriger sein. Die Luftfeuchtigkeit wird als relative Feuchte angegeben. Verschiedene Pflanzenstadien benötigen unterschiedliche Feuchtigkeitsniveaus. Eine zu feuchte Umgebung kann die Ausbreitung von Krankheiten begünstigen. Sowohl die Luftfeuchtigkeit als auch die Temperatur werden mit dem WE-Sensor FeatherWing überwacht.

Drahtlose Kommunikation per WLAN

Bild 6: Der Calypso-FeaterhWing verbindet Umgebungen mit einem verfügbaren Wi-Fi-Netzwerk.
Bild 6: Der Calypso-FeaterhWing verbindet Umgebungen mit einem verfügbaren Wi-Fi-Netzwerk.
(Bild: Würth Elektronik eiSos)

Bild 7: Das Adrastea-I-Modul ist ein LTE-M/NB-IoT-Mobilfunkmodul mit integriertem GNSS und einem ARM-Cortex-M4-Prozessor.
Bild 7: Das Adrastea-I-Modul ist ein LTE-M/NB-IoT-Mobilfunkmodul mit integriertem GNSS und einem ARM-Cortex-M4-Prozessor.
(Bild: Würth Elektronik eiSos)

Sensoren und Aktoren sind oftmals in Geräten installiert, die nur begrenzt mit der digitalen Welt verbunden sind. Es gibt eine Vielzahl von standardisierten und proprietären drahtlosen Lösungen, deren Auswahl von einer Reihe von Faktoren wie Reichweite, Durchsatz, Frequenzband, lokale gesetzliche Anforderungen und Energiebudget bestimmt wird.

Die Kommunikation des Prototyps wird mit zwei verschiedenen Ansätzen realisiert, zum einen mit einem WLAN-FeatherWing Calypso (Bild 6) für Umgebungen, in denen WLAN verfügbar ist, zum anderen mit einem Adrastea-I-FeatherWing (Bild 7) für Umgebungen ohne WLAN. Beide Boards sind über das M0-Express-Feather-Board von Adafruit mit dem Rest des Systems verbunden.

Das Calypso-Board ist ein kompaktes WLAN-Funkmodul auf Basis des WiFi-Standards IEEE 802.11 b/g/n mit 2,4 GHz. Es verfügt über einen integrierten TCP/IP-Stack und ein fertiges MQTT-Protokoll. Das Adrastea-I-Modul ist ein LTE-M/NB-IoT-Mobilfunkmodul mit integriertem GNSS und einem ARM-Cortex-M4-Prozessor. Beide Module eignen sich für sichere Verbindung zur Cloud.

In diesem Fall fiel die Wahl auf einen externen M0-Prozessor und aufgrund seiner Benutzerfreundlichkeit auf Microsoft IoT Central, eine Platform-as-a-Service. IoT Central bietet eine gebrauchsfertige Benutzeroberfläche und eine API für die Verbindung, Verwaltung und den Betrieb von IoT-Geräten. Mit seinen Telemetriedaten, Eigenschaften und Befehlen überwacht und steuert es alle notwendigen Aspekte des vertikalen Anbausystems.

Frische Kräuter mit Elektronik züchten

Der Prototyp zeigt im Kleinen, wie Vertical Farming funktioniert und ist selbst schon eine Anwendung. In der Kantine von Würth Elektronik wachsen in einem ähnlichen Schrank frische Kräuter. Die elektronischen Komponenten des Prototyps, von der Mikrocontroller-Steuerung über die Kommunikation mit der Cloud bis hin zur Stromversorgung und den LEDs, stammen von Würth Elektronik und damit aus einer Hand.

Referenzen

[1] The future of food and agriculture: Trends and challenges, ein Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, 2017. (Stand: 24. März 2018).

[2] Würth Elektronik Horticulture-LEDs.

[3] Gerfer, A.: The future of food production! Würth Elektronik as enabler in the field of vertical farming. Video.

[4] Blakey, R.: Advantages of LED Lighting in Horticultural Applications. AppNote ANO003.

[5] Würth Elektronik Lighting Development Kit.

[6] Great Scott: "Magical" LEDs let my plants grow faster? (Experiment) The Future of Farming! Video.

[7] Fisch, I.: Anders ackern, Süddeutsche Zeitung online, 29.07.2022.

[8] Waldherr, J.: Horticulture-LEDs verbessern das Pflanzenwachstum. Elektronikpraxis online, 27.09.2022.

[9] Koller, P.: Was ein Erdbeerpflücker auf der DLD-Konferenz zu suchen hat. All-electronics.de, 19.01.2023.

[10] Blakey, R.: LEDs – The Future of Horticultural Lighting. AppNote ANO002.

[11] Gerfer, A.; Waldherr, J.; Özgür, H.: Lighting Control for Food Production. LED Professional May/June 2023, issue 97, p. 28.

[12] Brunton, V.: Irrigation water quality. (Stand: 31. Januar, 2023).

* Miroslav Adamov Senior Business Analyst bei Würth Elektronik. Als Senior IoT Solution Architect liegt sein Fokus auf der Konzeption und Implementierung von industriellen IoT-Lösungen. Alexander Gerfer ist Geschäftsführer und Chief Technology Officer bei Würth Elektronik. Adithya Madanahalli ist IoT-Ingenieur bei Würth Elektronik eiSos im Geschäftsbereich Wireless Connectivity and Sensors.

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