Elektrische Rekorde der Natur Warum Hummeln ein Gespür für elektrische Felder haben

Ein Gastbeitrag von Dr. Anna-Lena Gutberlet 5 min Lesedauer

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Hummeln orientieren sich nicht nur an Formen, Farben und Gerüchen – auch ihre Fähigkeit, elektrische Ladungen wahrzunehmen, hilft ihnen bei der Futtersuche.

Elektrische Felder: Hummeln können sich nicht nur an Formen, Farben und Gerüchen orientieren. Sie sind auch in der Lage, elektrische Ladungen wahrzunehmen.
Elektrische Felder: Hummeln können sich nicht nur an Formen, Farben und Gerüchen orientieren. Sie sind auch in der Lage, elektrische Ladungen wahrzunehmen.
(Bild: © Philip – stock.adobe.com)

Die Interaktion zwischen Hummeln und Blüten ist ein komplexes Wechselspiel, bei dem neben mechanischen und chemischen Faktoren auch elek­trische Felder eine Rolle spielen.

Auf der Suche nach Nahrung fliegen Hummeln von Blüte zu Blüte, um Nektar und Pollen zu sammeln. Da Hummeln während des Fluges aufgrund ihres schnellen Flügelschlags viel Energie benötigen, ist es wichtig, dass sie möglichst viel Nektar und Pollen finden und nicht unnötig leere Blüten besuchen. Lange Zeit nahm man an, dass Hummeln die Blüten, die sie auf ihrer Nahrungs­suche besuchen, nach Farbe, Form und Duft auswählen. Ein Indiz dafür ist, dass Hummeln auch Licht im ultravioletten Spektrum sehen können und damit viele Blütenmuster im ultravioletten Licht sichtbar werden.

Elektrisch aufgeladen

Neben Insekten vermuten Forscher der Universität Bristol, dass auch andere Organismen wie Bakterien und Vögel die Luft um sie herum elektrisch aufladen können. Diese Entdeckung hat Bedeutung für verschiedene physikalisch und biologisch relevante Bereiche. Denn die von Organismen erzeugten elektrischen Felder können den Transport von Staub, Pollen oder Aerosolen in der Atmosphäre beeinflussen.

Elektrische Ladungen bei Insekten durch Reibungseffekte

Es ist bekannt, dass Pflanzen – über die Wurzeln geerdet – normalerweise negativ geladen und von elektrischen Feldern umgeben sind. Diese elektrischen Felder sind allerdings relativ schwach und liegen im Bereich von wenigen bis etwa 100 Millivolt pro Meter. Außerdem ändern sich die elektrischen Felder je nach den physikalischen Eigenschaften der Blüte. Das kann zum Beispiel beim Öffnen und Schließen der Blüte sein. Ebenfalls eine Rolle spielen die Umweltbedingungen, die von der Feuchtigkeit, den atmosphärischen Bedingungen und der Sonneneinstrahlung abhängen.

Darüber hinaus laden sich Fluginsekten während des Fluges durch Reibungseffekte schwach positiv auf. Das ist das Phänomen der so genannten Triboelektrizität. Dabei können sich Ladungen von bis zu 200 Volt aufbauen.

Das brachte Forscher der Universität Bristol auf die Idee, dass Insekten elektrische Ladungen wahrnehmen und sich daran orientieren könnten. Um dieser Frage nachzugehen, führten sie Experimente mit Hummeln (Bombus terrestris) und selbst entwickelten künstlichen Blüten durch [1]. Das Besondere an den künstlichen Blüten: Die Forscher können sie nicht nur gezielt mit Nahrung versorgen, sondern auch die Stärke und Geometrie eines elektrischen Feldes einstellen. Und tatsächlich: In verschiedenen Tests konnten die Forscher bestätigen, dass sich die fliegenden Insekten an den elektrischen Feldern orientieren. Setzt sich beispielsweise eine positiv geladene Hummel auf eine negativ geladene Blüte, kommt es zu einem Spannungsausgleich. Fliegt die Hummel weiter, sinkt der Potentialunterschied für eine gewisse Zeit – andere Hummeln wissen, dass es sich gerade nicht lohnt, die Blüte zu besuchen.

Wie die Insekten schwache elektrische Felder wahrnehmen

Die Wahrnehmung von elektrischen Ladungen und Feldern hilft den Hummeln also bei ihren anstrengenden Flügen, um Blüten und Blumen mit reichlich Nektar zu finden. Und das ist für die Blüten auch notwendig, denn Bienen und Hummeln lernen sehr schnell und würden das Interesse an solchen wenig ertragreichen Blüten schnell verlieren – und damit auch den Pollen nicht verbreiten. Weitere Experimente der Forscher zeigten, dass Hummeln nicht nur das Vorhandensein eines elektrischen Feldes erkennen, sondern auch Blüten anhand der Geometrie des Feldes unterscheiden können.

Doch wie können die fliegenden Insekten diese schwachen Felder wahrnehmen? Forscher haben herausgefunden, dass die Haare und Fühler der Hummeln nicht nur der Wärmeisolation dienen, sondern auch der Detektion elektrischer Felder. Geraten die feinen Strukturen in ein elektrisches Feld, werden sie wie starre Stäbe ausgelenkt. An der Basis registrieren spezielle Sinnesorgane (mechanosensorische Neuronen) die Bewegung und leiten entsprechende Signale weiter. Kein Wunder, denn der Einsatz von Borsten und Haaren zur Erfassung von Vibrationen oder der Position von Gliedmaßen ist bei Insekten und Spinnen weit verbreitet.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die elektromagnetischen Muster unterstützen nicht nur die bekannten Signale wie Farbe, Muster, Form und Duft, die fliegende Bestäuber anlocken. Sie helfen ihnen auch, Blüten besser zu unterscheiden und sich ihren Standort zu merken. Wie die Forscher im Fachmagazin Science schreiben, liefern diese Erkenntnisse ein völlig neues Verständnis der Kommunikation von Pflanzen und der Wahrnehmungsfähigkeit von Insekten.

Honigbienen und die atmosphärische Elektrizität

Gemessener Potentialgradient beim Durchzug eines großen, dichten Bienenschwarms.
Gemessener Potentialgradient beim Durchzug eines großen, dichten Bienenschwarms.
(Bild: Hunting et al./ iScience)

Da viele fliegende Insekten elektrische Ladungen im Bereich von Pico- bis Nanocoulomb pro Individuum tragen, liegt die Vermutung nahe, dass sich diese Ladungen in Insektenschwärmen ansammeln. Schwärme könnten daher eine wichtige Quelle für Raumladungen in der Atmosphäre sein. Um dies herauszufinden, haben Forscher um Ellard R. Hunting von der Universität Bristol Messungen an Honigbienenschwärmen durchgeführt [2]. Sie platzierten ein Messgerät für elektrische Felder und eine Kamera so, dass ein Bienenschwarm darüber flog. Und tatsächlich: Während der Bienenschwarm darüber flog, änderten sich die elektrischen Messwerte.

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Ein zweites Messgerät, das zur Kontrolle in einiger Entfernung aufgestellt war, zeigte diesen Anstieg nicht. Der Potentialgradient stieg zum Zeitpunkt der höchsten Schwarmdichte auf 100 Volt pro Meter an. Weitere Messungen zeigten: Je dichter der Bienenschwarm, desto stärker das von ihm erzeugte elektrische Feld – bis zu 1.000 Volt pro Meter (Bild 1). Das übertrifft die Spannung von meteorologischen Ereignissen wie Gewitterwolken und Staubstürmen.

Das Wetter kann die Insektenschwärme jedoch nicht beeinflussen – dazu reicht die elektrische Spannung allein nicht aus. Gewitter entstehen durch große Temperaturunterschiede in der Luft. Kalte, trockene Luft trifft auf warme, feuchte – der Dichteunterschied führt zu diesem Wetterphänomen. Die Forscher zeigen aber auch, dass Insektenschwärme die Partikel in der Atmosphäre beeinflussen – was wiederum die Wolkenbildung beeinflussen könnte. Für aktuelle Klimaberechnungen wäre es spannend, diesen Effekt weiter zu untersuchen, so die Forscher abschließend.

In dieser Serie sind bisher erschienen

Referenzen

[1] Dominic Clarke et al., Detection and Learning of Floral Electric Fields by Bumblebees. Science 340,66-69(2013).

[2] E. R. Hunting et. al., Observed electric charge of insect swarms and their contribution to atmospheric electricity, iScience 25, 105241, 2022.

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