Hightech-Logikchips Chinesische „Big-Chip“-Startups: Wer wird das nächste Nvidia?

Von Henrik Bork

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Heute noch Startup, morgen schon Big-Player: Dank erwartbarer Dekrete aus Peking für den Einsatz heimischer Chips steht jungen chinesischen Entwicklern von modernen „Big-Chips“ bald ein Milliardenmarkt offen. Noch haben etablierte Konzerne wie Nvidia, Intel, AMD, Qualcomm einigen Vorsprung. Doch der schrumpft schnell.

Der Nvidia A100 Tensor Core Grafikprozessor ist das Flaggschiff der Nvidia Rechenzentrumsplattform für Deep Learning, HPC und Datenanalyse. Viele chinesische Startups wollen in die Fußstapfen des KI-Marktführers treten.
Der Nvidia A100 Tensor Core Grafikprozessor ist das Flaggschiff der Nvidia Rechenzentrumsplattform für Deep Learning, HPC und Datenanalyse. Viele chinesische Startups wollen in die Fußstapfen des KI-Marktführers treten.
(Bild: Nvidia)

„Big Chips“ sind der neue Trend in der chinesischen Startup-Szene. Es gibt keine klare Definition für den Ausdruck, gemeint sind gewöhnlich GPUs, CPUs, DSPs in Handys und anderen mobilen Endgeräten sowie DPUs und KI-Chips.

Noch sind Nvidia, Qualcomm, AMD, Intel oder MediaTek die führenden Unternehmen im Universum der Big Chips. China hat nun aber eine Offensive gestartet und eine ganze Reihe von gut finanzierten Startups aufgebaut, um in dieses Segment vorzustoßen.

Wer macht das Rennen bei den GPUs?

Besonders bei den Grafikprozessoren ist in China ein veritables Rennen ausgebrochen, wer der beziehungsweise das „nächste Nvidia“ wird. Sowohl bei den reinen Grafikprozessoren (GPU) als auch bei den für Künstliche Intelligenz, Machine Learning und ähnliche Anwendungen zunehmend beliebten GPGPUs („General Purpose GPU) gibt es seit Anfang des Jahres Fortschritte bei chinesischen Herstellern.

Ende März dieses Jahres hat das Pekinger Startup „Moore Thread“ seinen ersten GPU-Chip mit der Bezeichnung „Su Di“ vorgestellt. Su Di wird laut Hersteller im 12-Nanometer-Prozess gefertigt und soll sowohl für Grafikkarten und damit für den existierenden Gaming-Markt, aber auch für fortgeschrittene Rechenaufgaben einsetzbar ist.

Auffällig kurze Chip-Entwicklungszeit

Auffällig ist die kurze Entwicklungszeit des Chips: Das Startup war erst im Oktober 2020 von Zhang Jianzhong gegründet worden. Zhang (im Chinesischen steht der Familienname vorn) war zuvor Geschäftsführer von Nvidia China. Nicht zuletzt dank der Vorgeschichte seines Gründers konnte Moore Thread in kürzester Zeit sehr viel Geld von Investoren einsammeln; allein in der ersten Finanzierungsrunde (Series A) im letzten November flossen zwei Milliarden Yuan (rund 290 Millionen Euro) auf das Konto des Startups.

Auch bei den anderen chinesischen Matadoren, die jetzt mit Macht auf diesen Markt drängen, etwa MetaX, Innosilicon, Iluvatar oder Denglin AI fließen gleich Beträge um die 100 Millionen Yuan, wenn erst einmal ein Investor auf sie aufmerksam geworden ist. Auch die bereits etablierten Hersteller Changsha Jingjia Micro, Loongson, Zhaoxin und Phytium beschleunigen ihre Forschung & Entwicklung für Big Chips.

Startup-Top-Manager kommen auffällig oft von US-Tech-Riesen

Das neben Moore Threads wohl vielversprechendste Startup im Moment ist „Biren Technology“ in Shanghai, das sich anders als sein Wettbewerber in Peking ganz auf GPGPU konzentriert. Es hat Ende März dieses Jahres seinen ersten GPU-Chip mit 7-nm-Technologie getestet. Der „BR100“ genannten IC wird jetzt von TSMC in Taiwan in Serie gefertigt.

Bei Biren Tech dient Zhang Wen als CEO, der zuvor in führender Position bei SenseTime tätig war, dem aufstrebenden chinesischen KI-Software- und Video-Überwachungsunternehmen, das 2019 auf der „US Entity List“ gelandet ist – also auf der US-Sanktionsliste gegen Unternehmen, die möglicherweise die innere Sicherheit der USA bedrohen. Andere Top-Manager des chinesischen Startups haben vorher bei Nvidia, Qualcomm oder AMD gearbeitet. Zu den Investoren von Biren Tech zählt unter anderem Chinas führende Foundry SMIC.

Etablierte Big-Chip-Unternehmen haben noch deutlichen Vorsprung

All das sind aus chinesischer Sicht gute Fortschritte. Doch Insider sind davon überzeugt, dass es ein beachtliches „Technology Gap“ zwischen den chinesischen Startups und der internationalen Big-Chip-Liga gibt, das wohl noch einige Jahre lang fortbestehen wird. Als Beweis verweisen sie darauf, dass viele der „in China entwickelten“ GPU noch auf Chip-Design-Lizenzen aus dem Ausland angewiesen sind.

Sowohl Moore Thread als auch Biren Tech haben das Design für ihre GPU gegen Lizenzen von „Imagination Technologies“ in England erworben, berichtete „The Information“. Auch der erste GPU-Chip des chinesischen Unternehmens Innosillicon namens „Fenghua Nr. 1“ soll von Imagination lizensiert worden sein, berichtet das chinesische Fachportal Jiemian. Imagination gehört inzwischen einem chinesischen Konzern, doch das IP für seine Technologien verbleibt im Ausland.

Abhängigkeit von ausländischen IP-Lizenzgebern – noch

Diese Abhängigkeit von ausländischem Know-How dürften Analysten zufolge der Grund sein, warum China bis jetzt noch zögert, Partei- und Regierungsbehörden zu zwingen, ausländische GPU durch eigene, in China entwickelte Chips zu ersetzen.

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Bei den CPUs ist die kommunistische Partei Chinas schon einen Schritt weiter. Schon lange hatte man von einer heimischen Chiptechnologie geträumt und viel Geld in diesen Bereich investiert. Doch seit Washington den Export von fortschrittlicher Chiptechnologie nach China beschränkt, läuft bei CPUs der zentrale Plan „Xin Chuang“ – und seither wird das Prinzip „Made in China“ in der Halbleiterindustrie so richtig forciert.

Peking verbietet in Schlüsselbranchen ausländische Chips und Software

Das Pekinger Industrieministerium MIIT hat beispielsweise dekretiert, dass alle Parteibehörden, alle Regierungsstellen und acht strategisch wichtige Industrien wie Finanzen, Energie oder Telekommunikation Chips und Software von Intel und Microsoft und Co. nicht mehr verwenden dürfen und durch CPUs und Betriebssysteme aus chinesischer Entwicklung ersetzen müssen. Bis Ende dieses Jahres schon soll diese aus politischen Gründen stark beschleunigte „heimische Substitution“ abgeschlossen sein.

Bei GPUs und manchen anderen Big Chips ist man also noch nicht ganz so weit. Doch wenn man in China aufgeholt hat, in wenigen Jahren also, ist den Startups von heute über Nacht durch ein ähnliches Parteidekret ein Milliardenmarkt sicher. Dann werden sie aller Voraussicht nach auch international zu Konkurrenten der jetzigen Big-Chip-Matadoren wie Nvidia oder Intel heranwachsen.

* Henrik Bork ist Analyst bei Asia Waypoint, einem auf den asiatischen Markt fokussierten Beratungsunternehmen in Peking.

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