Jobkrise in der Industrie Kampf gegen Stellenstreichungen: Streik-Aktionen bei Bosch geplant

Von Susanne Braun 4 min Lesedauer

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Insbesondere in der Automobilbranche zeichnet sich mehr und mehr eine Krise bei Herstellern und Zulieferern ab. Unternehmen wie Bosch, ZF und Continental haben sich in den vergangenen Monaten Sparpakete auferlegt. Doch die Angestellten und Zulieferer möchten nicht kampflos die Rolle der Leidtragenden einnehmen; das zeigen jüngste Entwicklungen.

In der Industrie stehen in den kommenden Jahren Zehntausende Arbeitsplätze auf dem Spiel - wenn nicht gar mehr.
In der Industrie stehen in den kommenden Jahren Zehntausende Arbeitsplätze auf dem Spiel - wenn nicht gar mehr.
(Bild: frei lizenziert / Pixabay)

Viele Automobilhersteller sowie -zulieferer stehen vor der Herausforderung, strukturelle Veränderungen in der Branche wirtschaftlich mehr oder weniger abzufangen. Eine solche Herausforderung stellt etwa der Übergang von herkömmlichen Verbrennerfahrzeugen zu elektrischen Antrieben und autonomen Fahren dar. Dieser Wandel erfordert neue Technologien und Produkte, während gleichzeitig eine intensive globale Konkurrenz besteht. Gleichzeitig lässt sich der Weltbevölkerung eine Wende zur elektrischen Mobilität schlichtweg nicht verordnen.

Die Automobilbranche und alle, die von ihr abhängig sind, stehen an einem Scheidepunkt. Die alten Antriebsstrangtechnologien sollen gemäß Klimaschutzbemühungen durch elektrische Motoren ersetzt werden. Allerdings fehlen für die breite Akzeptanz der E-Mobilität in der Bevölkerung immer noch Antworten, etwa hinsichtlich der Infrastruktur und der Preisgestaltung. Oder auf gut Deutsch: Die Automobilhersteller verkaufen bislang zu wenige E-Fahrzeuge.

Dennoch müssen sich die Unternehmen jetzt anpassen, indem sie Kosten senken und in neue Fähigkeiten und Technologien investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben und langfristig erfolgreich zu sein. Dieser langfristige Zeitraum, bis E-Mobilität sich vollständig durchgesetzt habe, so Bosch-Chef Stefan Hartung in einem Kommentar, könne sich noch die nächsten 30 bis 35 Jahre ziehen (via Handelsblatt). Das würden 30 bis 35 kostspielige Jahre, denn es muss Geld investiert werden. Dieses Geld wiederum soll an anderer Stelle gespart werden.

Streik der Ford-Zulieferer

Die Kostensenkungen werden oft auf dem Buckel der Belegschaft oder der Zulieferer ausgetragen. Das zeigt sich dieser Tage etwa beim Ford-Werk in Saarlouis. Das Werk soll geschlossen werden, was eine schier unmögliche Herausforderung für die Angestellten von Ford, aber auch für die in der Region angesiedelten Zuliefererbetriebe darstellt. Denn wenn der Bedarf für Teile und Arbeitskräfte eines ganzen Werks von heute auf morgen verschwindet, drohen auch den bisherigen Partnern empfindliche Einbußen.

Deswegen haben Mitarbeitende des Zuliefererparks von Ford in Saarlouis am vergangenen Freitag (8. März 2024) die Arbeit niedergelegt und damit die Fertigung im Ford-Werk zum Stillstand gebracht. Für die Mitarbeitenden bei Ford gibt es inzwischen einen Sozialtarifvertrag, der die Weiterbeschäftigung von 1.000 der insgesamt 3.750 Angestellten bis Ende 2032, Abfindungen und Prämien, die Bildung einer Transfergesellschaft und Qualifizierungsprogramm sichert.

Ein solcher Sozialtarifvertrag aber fehlt den Beschäftigten im Zuliefererpark; seit über einem halben Jahr kann man sich nicht mit den Unternehmensvertretern der fünf betroffenen Betriebe Lear Corp., Tenneco, Benteler, Rhenus LMS und Magna einigen. Deshalb kam es ab Freitag zu einem unbefristeten Streik, der weiter andauert (via Saarbrücker Zeitung).

Drohende Protestaktionen bei Bosch

Beim Technologiekonzern und weltgrößten Automobilzulieferer Bosch machen bereits seit Wochen die Berichte von Stellenstreichungen in vielen Bereichen des Unternehmens die Runde. Im Dezember 2023 war angekündigt worden, dass man 1.500 Stellen der Antriebssparte streichen wolle, dazu 1.200 Stellen in der Abteilung autonomes Fahren. Im Januar 2024 gesellten sich bis zu 500 Stellenstreichungen in der Steuergeräte-Sparte dazu, vornehmlich in Verwaltung und Entwicklung (via Handelsblatt).

Und im Februar wurde angekündigt, 3.500 Stellen bei den Hausgeräten einsparen zu wollen, über 500 bei den Elektrowerkzeugen. Klar, diese Sparmaßnahmen beziehen sich weder bei Bosch noch bei vielen anderen Konzernen allein auf den Standort Deutschland. Dennoch sind die Zahlen, mehr als (bislang) 7.000 betroffene Stellen, beunruhigend hoch.

Da verwundert es wenig, dass Arbeitnehmervertreter genug der Hiobsbotschaften haben. Der Gesamtbetriebsrat der Zuliefersparte von Bosch hat in einem internen Schreiben (via Zeit) zum 20. März 2024 zu einem Aktionstag aufgerufen. So wollen laut Berichten Beschäftigte in der Stuttgarter Region bis vor die Konzernzentrale in Gerlingen ziehen, während es deutschlandweit zu vergleichbaren Aktionen kommen soll. Ob es im Anschluss zu erneuten Gesprächen zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern über die Sozialverträglichkeit der Kosteneinsparungen kommt, wird sich zeigen müssen.

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„Arbeitsplatzmassaker in der deutschen Industrie“

Es ist nicht so, als wäre Bosch der einzige Zulieferer, der gerne wachsen möchte, diesen Erfolg aber mit weniger Angestellten (also weniger Personalkosten) vorantreiben will. Continental will rund 7.150 Stellen einsparen; aus dem Betriebsrat von ZF heißt es, dass in den kommenden Jahren Streichungen zwischen 12.000 und 18.000 Arbeitsplätzen anstehen könnten.

Schauen wir über den Tellerrand, sieht es in der gesamten deutschen Industrie in den kommenden Jahren wenig rosig aus. Die Chemiekonzerne Bayer (Abbau „mehrerer Tausend“ Stellen), BASF (2.600 Stellen) und Evonik (2.000 Stellen) wollen ebenso personelle Kosten einsparen oder Arbeitsplätze an anders qualifizierte Mitarbeitende geben, wie etwa der Softwarekonzern SAP (rund 5.000 Stellen). Thyssenkrupp soll 5.000 Arbeitsplätze streichen wollen, DB Cargo wenigstens 2.500.

Dabei sind nicht nur Arbeitende auf den niederen Ebenen betroffen, sondern auch die mittleren; selbst erfahrene Ingenieure sollen nicht sicher sein. Das Handelsblatt und Peter Schwarz von WSWS sprechen davon, dass in der deutschen Industrie „je nach Quelle und Prognose […] mehr als die Hälfte dieser Arbeitsplätze gefährdet“ sind. In Zahlen: möglicherweise mehr als 400.000. Gleichwohl wird nicht damit gerechnet, dass alle Betroffenen in kürzester Zeit eine neue Beschäftigung finden. Wie auch, wenn bei allen Unternehmen Sparmaßnahmen verordnet werden?

Und oft ist die Rede lediglich von den großen Konzernen. Ebenfalls betroffen sind die Betriebe, deren Dienste plötzlich nicht mehr oder nur noch in einem geringeren Umfang benötigt werden. Etwa wie im Fall des Ford-Werks in Saarlouis. (sb)

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