Forschung Leistungsfähige und dehnbare Mikro-Elektronik für Wearables und Implantate

Von Henning Wriedt* 4 min Lesedauer

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Stanford-Forscher haben weiche integrierte Schaltkreise entwickelt, die leistungsstark genug sind, um einen Mikro-LED-Bildschirm anzusteuern, und klein genug, um Tausende von Sensoren auf einem einzigen Quadratzentimeter unterzubringen.

Bild 1: Intrinsisch dehnbare Transistoren und integrierte Schaltkreise unter starker Verformung, nachdem sie vom Trägersubstrat gelöst wurden.
Bild 1: Intrinsisch dehnbare Transistoren und integrierte Schaltkreise unter starker Verformung, nachdem sie vom Trägersubstrat gelöst wurden.
(Bild: Donglai Zhong, Jiancheng Lai und Yuya Nishio von der Bao Group, Stanford University)

Kleine tragbare oder implantierbare elektronische Komponenten könnten helfen, unsere Gesundheit zu überwachen, Krankheiten zu diagnostizieren und Möglichkeiten für verbesserte autonome Behandlungen zu schaffen. Um dies zu erreichen, ohne die Zellen in ihrer Umgebung zu verletzen oder zu beschädigen, muss sich diese Elektronik nicht nur mit unserem Gewebe biegen und dehnen, sondern auch so weich sein, dass sie nicht kratzt und das Gewebe beschädigt.

Forscher in Stanford arbeiten seit über einem Jahrzehnt an hautähnlichen, dehnbaren elektronischen Geräten. In einem in 'Nature' veröffentlichten Bericht stellen sie nunmehr ein neues Design und Herstellungsverfahren für hautähnliche integrierte Schaltkreise vor, die fünfmal kleiner sind und mit tausendmal höherer Geschwindigkeit arbeiten als frühere Versionen.

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Die Forscher zeigten, dass ihre weichen integrierten Schaltkreise jetzt in der Lage sind, einen Mikro-LED-Bildschirm anzusteuern oder ein Braillefeld zu erkennen, wobei die ICs empfindlicher sind als die menschlichen Fingerspitzen.

„Wir haben einen bedeutenden Sprung nach vorn gemacht. Zum ersten Mal sind dehnbare integrierte Schaltkreise jetzt klein genug und schnell genug für viele Anwendungen“, sagte Professor Zhenan Bao in Stanford und Hauptautor der Forschungsarbeit. „Wir hoffen, dass dadurch tragbare Sensoren und implantierbare Nerven- und Darmsonden empfindlicher werden, mehr Sensoren betreiben und möglicherweise weniger Strom verbrauchen können.“

2.500 Sensoren und Transistoren auf einem Quadratzentimeter

Das Herzstück der Schaltkreise sind dehnbare Transistoren aus halbleitenden Kohlenstoff-Nanoröhren und weich elastischen elektronischen Materialien, die in Baos Labor entwickelt wurden. Im Gegensatz zu Silizium, das hart und spröde ist, haben die Kohlenstoff-Nanoröhren zwischen den elastischen Materialien eine fischnetzartige Struktur, die es ihnen ermöglicht, auch bei Dehnung und Verformung weiter zu funktionieren. Die Transistoren und Schaltkreise werden zusammen mit dehnbaren Halbleitern, Leitern und dielektrischen Materialien auf ein dehnbares Substrat aufgebracht.

„Dies ist das Ergebnis jahrelanger Material- und Technikentwicklung“, sagte Bao. „Wir mussten nicht nur neue Materialien entwickeln, sondern auch das Schaltungsdesign und den Herstellungsprozess für die Schaltungen. Es gibt viele Schichten, die übereinandergestapelt sind, und wenn eine Schicht nicht funktioniert, müssen wir alles von Grund auf neu beginnen.“

Bei einer Demonstration ihres neuen dehnbaren Elektronikdesigns gelang es den Forschern, mehr als 2.500 Sensoren und Transistoren auf einem Quadratzentimeter unterzubringen und so eine taktile Aktivmatrix zu schaffen, die mehr als zehnmal empfindlicher ist als menschliche Fingerspitzen. Die Forscher zeigten, dass das Sensorarray die Lage und Ausrichtung winziger Formen erkennen oder ganze Wörter in Braille-Schrift erkennen kann.

„Bei der Braille-Schrift nimmt man normalerweise einen Buchstaben nach dem anderen wahr“, sagt Donglai Zhong, Postdoktorand in Baos Labor und Mitautor der Studie. „Mit einer so hohen Auflösung könnte man ein ganzes Wort oder möglicherweise einen ganzen Satz mit nur einer Berührung erfassen.“

Die Forscher nutzten ihre dehnbaren Schaltkreise auch, um ein MikroLED-Display mit einer Bildwiederholfrequenz von 60 Hz anzusteuern, was der typischen Bildwiederholfrequenz eines Computer- oder Fernsehbildschirms entspricht. Frühere Versionen der dehnbaren Schaltungen waren bei kleinen Abmessungen nicht schnell genug, um genügend Strom zu erzeugen, um dies zu erreichen.

„Wir freuen uns sehr über diese Leistungsverbesserungen, da sie uns viele neue Möglichkeiten eröffnen“, so Can Wu, Postdoktorand in Baos Labor und Co-Erstautor der Studie. „Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass unser Transistor zur Ansteuerung kommerzieller Bildschirme verwendet werden kann, die beispielsweise in Computermonitoren zum Einsatz kommen.“

„Und für biomedizinische Anwendungen könnte ein hochdichtes, weiches und anpassungsfähiges Sensorarray es uns ermöglichen, Signale des menschlichen Körpers, zum Beispiel vom Gehirn und Muskeln in großem Maßstab und feiner Auflösung zu erfassen. Dies könnte zu Gehirn-Maschine-Schnittstellen der nächsten Generation führen, die sowohl leistungsstark als auch biokompatibel sind.“

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Weiche Schaltkreise für die Zukunft

Die Forscher haben absichtlich Materialien und Verfahren entwickelt, die mit den vorhandenen Herstellungswerkzeugen funktionieren, damit die Schaltkreise den Sprung zur kommerziellen Herstellung leichter schaffen. Ihr Verfahren beruht auf ähnlichen Fertigungstechniken wie die derzeitige Herstellung von Bildschirmen, auch wenn es sich um völlig andere Materialien handelt. Die Hersteller wären nicht in der Lage, diese Schaltungen ohne zusätzliche Feinabstimmung herzustellen, aber die Werkzeuge sind bereits vorhanden, so Bao.

Natürlich gibt es noch weitere Hürden, bevor diese dehnbaren und weichen integrierten Schaltkreise zur Marktreife gelangen können. Körper- und Gewebebewegungen können immer noch zu Abweichungen bei den elektrischen Eigenschaften der Schaltkreise führen – Bao und Kollegen arbeiten an neuen Designs, die diese Effekte verringern könnten – und die Komponenten benötigen eine Art weichen Feuchtigkeitsschutz, bevor sie zum Einsatz kommen können.

„Es gibt noch Herausforderungen für die Zukunft dieser Technologie, aber diese jüngsten Entwicklungen eröffnen einige sehr spannende biomedizinische Anwendungen für tragbare und implantierbare Elektronik“, sagte Bao. „Und es gibt auch Anwendungen in der Soft-Robotik, die Robotern eine Sensorfunktionalität verleihen, die der des Menschen nahekommt und die Arbeit für Menschen sicherer macht.“

Diese Forschungsarbeit wurde von SAIT, Samsung Electronics Co, Ltd, dem Army Research Office, dem CZ Biohub-San Francisco, der Stanford Wearable Electronics Initiative und der National Science Foundation finanziert. (mbf)

* Henning Wriedt ist freier Fachautor.

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