Mikroelektronikförderung Nexperia: Doch keine deutschen Subventionen für Chiphersteller

Von Michael Eckstein 4 min Lesedauer

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Soll man einen Chiphersteller mit deutschen Steuergeldern subventionieren, der dem chinesischen Wingtech-Konzern gehört – an dem die Regierung der Volksrepublik mit fast einem Drittel beteiligt ist? Nein, hat das Bundeswirtschaftsministerium nun entschieden. Und Nexperia von der IPCEI-Liste förderwürdiger Firmen gestrichen.

Zankapfel: 2021 hatte Nexperia die Newport Wafer Fab (NWF) in Wales gekauft – samt ihrer GaN-on-Si-Technologie. Ende 2022 meldete die britische Regierung, dass dadurch nationale Sicherheitsinteressen bedroht sein könnten und forderte Nexperia auf, mindestens 86 Prozent der Anteile wieder zu verkaufen.
Zankapfel: 2021 hatte Nexperia die Newport Wafer Fab (NWF) in Wales gekauft – samt ihrer GaN-on-Si-Technologie. Ende 2022 meldete die britische Regierung, dass dadurch nationale Sicherheitsinteressen bedroht sein könnten und forderte Nexperia auf, mindestens 86 Prozent der Anteile wieder zu verkaufen.
(Bild: Nexperia)

Der Chiphersteller Nexperia – erst 2016 als Auslagerung des NXP-Geschäftsbereichs für Standardhalbleiter entstanden – erhält keine Förderung durch das EU-Beihilfeprogramm IPCEI. Darauf hat das Unternehmen mit Unverständnis reagiert. „Wir haben die Bekanntmachung zur Kenntnis genommen und sind enttäuscht darüber, dass unser Projekt nicht in die Förderliste aufgenommen wurde, obwohl es alle Bedingungen erfüllt und bereits erfolgreich frühere Überprüfungen durchlaufen hat“, sagte ein Sprecher. Bisher sei keine offizielle Ablehnungsbenachrichtigung eingegangen.

Die Eigentümerstruktur ist der primäre Grund für die Entscheidung des von Robert Habeck geführten Bundeswirtschaftsministeriums (BMWI): Nexperia ist ein globales Halbleiterunternehmen mit Hauptsitz in Nijmegen, Niederlande. Nur zwei Jahre nach der Gründung von Nexperia kaufte der chinesische Auftragsfertiger Wingtech Technology das junge Unternehmen. Wingtech wiederum wurde 2006 von einem ehemaligen Ingenieur von STMicroelectronics gegründet und ist an der Shanghaier Börse notiert.

Nexperia-Eigentümer Wingtech gehört zu fast einem Drittel dem chinesischen Staat

Laut einer Analyse des in Eindhoven, Niederlande, ansässigen Investment-Screening-Spezialisten Datenna, lassen sich fast 30 Prozent der Wingtech-Anteile auf die chinesische Regierung zurückführen. Das Unternehmen befindet sich also zu gut einem Drittel in staatlichem Besitz – und pflegt laut Angaben unter anderem von „Handelsblatt“ enge Verbindungen zur Pekinger Regierung. Wegen dieser Verflechtungen hatte auch das US-Nachrichtenportal CNBC kritisch über die geplante Übernahme der Newport Wafer Fab (NWF) in Wales berichtet.

Unter anderem über den Weg ausländischer Firmenübernahmen versucht China seit Jahren, staatlich orchestriert die globalen Halbleitermärkte einzunehmen. Deutschland und andere Länder fürchten, bei einem möglichen Angriff auf Taiwan könnte die sogenannte Volksrepublik die Chips zur Erpressung nutzen – etwa, um den Westen von Sanktionen abzuhalten.

China kauft gezielt Hightech-Knowhow im Ausland

Einige Beispiele: 2015 übernahm Jianguang Asset Management den niederländischen Chiphersteller Ampleon für rund 1,7 Milliarden Euro (2 Milliarden US-Dollar). 2017 kaufte das in Peking ansässige Unternehmen Canyon Bridge das Halbleiter- und Softwareentwicklungsunternehmen Imagination Technologies für 550 Millionen Pfund (763 Millionen US-Dollar), nachdem Apple angekündigt hatte, die Technologie des Unternehmens nicht mehr in seinen Produkten zu verwenden. Ein Jahr später übernahm das chinesische staatlich unterstützte Halbleiterunternehmen Tsinghua Unigroup den französischen Chiphersteller Linxens für 2,6 Milliarden US-Dollar.

Und im letzten Jahr schlug die Fast-Übernahme des Dortmunder Chipherstellers Elmos hohe Wellen: Hier hatte das BMWI in buchstäblich letzter Sekunde die Reißleine gezogen und den Verkauf an das schwedische Unternehmen Silex Microsystems AB untersagt. Der Grund: Silex ist eine Tochterfirma des chinesischen Konzerns Sai Microelectronics. Im Anschluss stoppte die Bundesregierung auch die Übernahme von ERS Electronic, einem Spezialausrüster für Halbleitertest- und Fertigungsanlagen, durch chinesische Investoren.

Datenna hat eine interaktive Karte erstellt, um mehr Transparenz über chinesische Investitionen in Europa zu schaffen. Gegenüber CNBC sagte Datenna-CEO Jaap van Etten: „Wir sehen einen Zusammenhang zwischen der Strategie der chinesischen Regierung, die Autarkie Chinas in der Halbleiterindustrie zu erhöhen, und dem Ausmaß des staatlichen Einflusses bei Übernahmen in der Halbleiterindustrie“.

Befürchtung: GaN-Expertise geht nach China

Wingtech zählt zu den größten Produzenten von Smartphones – und will sich breiter aufstellen, da der Smartphone-Markt mittlerweile gesättigt ist. In den letzten Jahren hat sich das Unternehmen verstärkt auf das Entwickeln und Fertigen von Halbleitern konzentriert. Dazu passt die Akquise von Nexperia: Mit der Übernahme erkaufte man sich den Zugang zum Automotive-Markt. Da in Fahrzeugen immer mehr Elektronik zum Einsatz kommt, verspricht der Markt enormes Wachstumspotenzial.

Kerngeschäftsgebiete von Nexperia sind neben Automotive-Komponenten wie Transistoren, Filter, Dioden, Powermanagement-ICs (PMICs), Logikbausteinen auch Leistungshalbleiter. Gerade letztere gelten als strategisch bedeutend in einer Zeit, die mehr und mehr auf elektrische Energieversorgung durch erneuerbare Energien setzt – von der Elektromobilität über Wärmepumpen bis hin zu großindustriellen Anlagen. Im Fokus stehen hier Siliziumkarbid (SiC) und Galliumnitrid (GaN), beides Verbindungshalbleiter mit großer Bandlücke, mit denen sich Leistungsschaltungen mit sehr hohem Wirkungsgrad realisieren lassen.

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Um seine Expertise auf diesem Gebiet zu stärken, hatte Nexperia 2021 die Übernahme der Newport Wafer Fab (NWF) in Wales angekündigt. Deren Spezialität: Ein GaN-on-Si-Prozess. Experten erwarteten, dass Nexperia/Wingtech den GaN-on-Si-Prozess von NWF in eine 300-mm-Wafer-Fabrik in Shanghai überführt, die von der chinesischen Regierung finanziert wird. Bereits im April 2021 hatte Wingtech angekündigt, 1,8 Mrd. US-Dollar in den Bau einer Fabrik für Leistungshalbleiter zu investieren, als Teil eines nationalen Plans zur Produktion von Komponenten für Elektrofahrzeuge.

Ping-Pong-Deal: Erst Übernahme, dann Rückabwicklung

Nachdem die britische Regierung den Deal zunächst ohne Beanstandung durchgewunken hatte, meldete sie Mitte 2022 plötzlich, dass doch nationale Sicherheitsinteressen dadurch bedroht sein könnten und forderte Nexperia auf, mindestens 86 Prozent der Anteile an der NWF wieder zu verkaufen. Ende letzten Jahres schließlich machte der britische Staatssekretär für Wirtschaft, Energie und Industriestrategie (BEIS, Business, Energy and Industrial Strategy) von seiner gesetzlichen Befugnis Gebrauch, die Übernahme von NWF rückwirkend zu blockieren. Möglich machte dies das neue Gesetz über nationale Sicherheit und Investitionen (National Security and Investment Act), das im Januar 2022 in Kraft getreten war.

Eine solche Peinlichkeit will das BMWI offenbar vermeiden und hat Nexperia wieder von der erst im Dezember 2021 zusammengestellten vorläufigen Förderliste der „Important Projects of Common European Interest“ (IPCEI) gestrichen – ein bislang einmaliger Vorgang. Dass Nexperia als niederländisches Unternehmen mit chinesischem Eigentümer überhaupt darauf gelandet war, liegt an seinem großen Standort in Hamburg mit rund 1.600 Mitarbeitern.

Mit ihrem Beschluss will das BMWI offensichtlich verhindern, dass mit deutschen Steuergeldern zukunftsträchtige Schlüsseltechnologien für ein chinesisches Unternehmen entwickelt werden. Das Vorgehen ist auch der neu ausgerichteten, kritischeren Chinapolitik der Bundesregierung geschuldet, die Wirtschaftsminister Habeck maßgeblich vorantreibt. Ursprünglich sollten 32 Projekte in elf Bundesländern von dem Programm profitieren. Allein aus Deutschland sollen insgesamt vier Milliarden Euro an Fördermitteln darin verteilt werden. (me)

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