Antriebstechnik neu definiert Traktionsantriebe nach Maß: Die Plattform für die Mobilität von morgen

Von Michael Richter 4 min Lesedauer

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Die Basis der modernen Automobilindustrie ist Innovation, Kostendruck und Nachhaltigkeit. ZF sticht hier mit innovativen Entwicklungen in der Elektromobilität heraus. In einem exklusiven Interview mit Herrn Dr. Otmar Scharrer, Entwicklungsleiter für elektrische Antriebssysteme bei ZF, tauchen wir tief in die Welt der elektrischen Antriebe ein.

Konzeptfahrzeug EVbeat: ZF hat sein ultrakompaktes E-Antriebspaket EVSys800 mit Thermomanagement und Software im Konzeptfahrzeug EVbeat auf höchste Effizienz getrimmt.
Konzeptfahrzeug EVbeat: ZF hat sein ultrakompaktes E-Antriebspaket EVSys800 mit Thermomanagement und Software im Konzeptfahrzeug EVbeat auf höchste Effizienz getrimmt.
(Bild: ZF)

Bild 2: Dr. Otmar Scharrer ist bei ZF verantwortlich für die Entwicklung von elektrischen Antrieben.
Bild 2: Dr. Otmar Scharrer ist bei ZF verantwortlich für die Entwicklung von elektrischen Antrieben.
(Bild: ZF)

Der individuelle Fokus auf den Kunden ist bei einem so enormen Angebot an Fahrzeugklassen ein Alleinstellungsmerkmal. Daher ist ZFs Technologieplattform ein bemerkenswerter Ansatz, um den Kunden Individualität zu ermöglichen. Die Plattform ist das Ergebnis jahrelanger Forschung und Entwicklung mit dem Ziel, eine modulare und flexible Lösung für Elektroantriebe zu schaffen. Diese Plattform ermöglicht es ZF, maßgeschneiderte Lösungen für eine breite Palette von Anwendungen anzubieten. Durch die Kombination verschiedener Technologiemodule können spezifische Anforderungen an Leistung, Effizienz und Kosten effektiv erfüllt werden.

I²SM. Nachhaltigkeit und Effizienz im Fokus

2023 stellte ZF mit dem I²SM einen induktiv erregten Synchron-Elektromotor (FSM) vor. „Der magnetfreie Motor hat große Wellen geschlagen“, so Herr Dr. Scharrer. „Wir haben eigentlich eine lange Tradition mit Asynchronmaschinen. Unser erster elektrischer Antrieb, den wir in Serie gebracht haben, war eine Asynchronmaschine und diese Technologie hat nach wie vor ihre Daseinsberechtigung.“ Gerade bei Allrad-Fahrzeugen, bei denen man über viele Kilometer eigentlich nur mit zwei angetriebenen Rädern fährt, um Energie zu sparen, ist die Asynchronmaschine ideal.

Solange kein Strom in der Statorwicklung fließt, erzeugt der Asynchronmotor keinen magnetischen Fluss im Rotor. Daher entsteht auch kein Widerstand, wie es bei einem Synchronmotor mit Permanentmagneten der Fall wäre, erklärt Scharrer. Diesen Vorteil bringen aber auch fremderregte Synchronmotoren (FSM).

Eben diese Vorteile der Asynchron-Maschine setzt ZF im Rahmen der Technologieplattform mit dem I²SM um. „Der größte Vorteil aus Sicht der Nachhaltigkeit – Sie brauchen keine Magnete. Das sind immerhin ein bis zwei Kilo, die man da als Größenordnung an Magnetmaterial verbaut [...] Zudem kommen, sie zu 95 Prozent in der Volksrepublik China vor und da denkt natürlich der ein oder andere auch darüber nach, ob es vernünftig ist, sich von einem einzigen Land so abhängig zu machen.“ Kostentechnisch wirkt sich das aktuell aber noch nicht wirklich auf den Antrieb beziehungsweise die Leistungselektronik aus, denn durch die Fremderregung wird eine weitere Motorphase und ein erhöhter Softwareaufwand benötigt. Die Rohstoffunabhängigkeit ist aber in Zeiten von bröckelnden Lieferketten keinesfalls zu verachten.

Weltweit kompaktester und drehmomentdichtester E-Motor ohne Magnete und Seltene Erden: ZF entwickelt mit dem I2SM-Konzept eine nachhaltige und leistungsstarke Alternative zu gängigen E-Antrieben.
Weltweit kompaktester und drehmomentdichtester E-Motor ohne Magnete und Seltene Erden: ZF entwickelt mit dem I2SM-Konzept eine nachhaltige und leistungsstarke Alternative zu gängigen E-Antrieben.
(Bild: ZF)

Die Schlüsseltechnologie hinter dem kompakten Design ist die induktive Übertragung. Hier wird die Spannung für die Rotorwicklung induziert, was vergleichbare Maßnahmen wie Schleifringe überflüssig macht. Außerdem ermöglicht die von ZF integrierte Positionierung eine deutlich kürzere Bauform. Ganze 90 mm werden hier eingespart.

Vielfalt durch Modulbauweise: Asynchron, Synchron und fremderregt

Innerhalb der Technologieplattform bietet ZF verschiedene Motortypen an. Die Auswahl der passenden Technologie basiert auf einer gründlichen Analyse der spezifischen Anforderungen des Kunden. Die Asynchronmotoren bieten beispielsweise eine robuste und kosteneffiziente Lösung, während die fremderregten Synchronmaschinen eine hohe Effizienz und Leistung bei gleichzeitiger Unabhängigkeit von Seltenen Erden ermöglichen. Durch den Einsatz spezialisierter Simulationswerkzeuge und einer umfassenden Expertise ist ZF in der Lage, die optimale Konfiguration für jede Anwendung zu empfehlen. Die eigenen Simulationstools ermöglichen es, Fahrzyklen zu analysieren und darauf angepasst die beste Maschine auszusuchen.

Für den EVbeat baute ZF einen Technologieträger auf Basis des Porsche Taycans. Dieses Fahrzeug wurde nicht nur einfach zusammengebaut. Durch einige tausend Simulationen wurde die ideale Kombination aus Vorderachse und Hinterachse gefunden, um das letzte Quäntchen an Leistung beziehungsweise an Wirkungsgrad herauszuholen. Mit Erfolg. Bis zu einem Drittel mehr Reichweite im winterlichen Realbetrieb schafft der EVbeat. Hier wurde mit dem EVSys800 ein Permanent Magnet Synchron Motor (PSM) ohne schwere Seltenen Erden verbaut. Auch dieser ist Bestandteil der Technologieplattform.

Neben der zunehmenden Unabhängigkeit im Bereich der Magnetmaterialien kooperiert ZF aber auch noch im Bereich der Leistungshalbleiter mit Wolfspeed. Durch die enge Partnerschaft sichert sich der Zulieferer exklusiven Marktzugang. Im EVSys800 werden hieraus Leistungshalbleiter im Wechselrichter mit Siliziumkarbid-Technologie eingesetzt.

Die neue Generation des E-Antriebs EVSys800 von ZF besticht mit einer Leistungsdichte von 70 Newtonmetern pro Kilogramm Antriebsgewicht.
Die neue Generation des E-Antriebs EVSys800 von ZF besticht mit einer Leistungsdichte von 70 Newtonmetern pro Kilogramm Antriebsgewicht.
(Bild: ZF)

„Wenn ich ein Startup wäre, dann würde ich mir den Elektroantrieb von ZF kaufen und ihn nicht selbst entwickeln." Scharrers Statement ist darin begründet, dass es gerade am Anfang schwierig ist, sich mit Elektroantrieben zu diversifizieren. Aufgrund der hohen Investmentkosten und des hohen Zeitaufwands ergibt es Scharrer zufolge wenig Sinn, dass noch umsatzschwache Startups ihre eigenen Antriebe entwickeln.

Die Kühlung als zentrales Element

Ein zentrales Element der Technologieplattform ist die Kühlung. „Wir haben uns dazu entschieden, dort zu kühlen, wo die Wärme entsteht, nämlich in den Kupferdrähten der Wicklung.“ Durch Öl, welches die Wicklungen der elektrischen Maschine umspült, wird die Wärme auf direktem Weg aus dem System gebracht. Die bedarfsgerechte Kühlung ermöglicht außerdem eine deutlich kompaktere Bauform. Durch Eigenentwicklungen wie TherMaS, einem Thermomanagementsystem, wird außerdem eine unabhängige Kühlung des Elektromotors und der Leistungselektronik ermöglicht.

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Die Zukunft gestalten

Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sind Schlüsselfaktoren für den Erfolg in der schnelllebigen Mobilitätsbranche. Diese Technologieplattform stellt einen zentralen Baustein von ZFs Strategie dar, um auf die sich schnell ändernden Anforderungen des Marktes reagieren zu können. Mit diesem System werden nicht nur kundenspezifische Lösungen effizient entwickelt – es legt auch den Grundstein für neue Trends wie autonomes Fahren, Elektrifizierung und Digitalisierung. Es ist ein lebendiges System, das ständig weiterentwickelt wird, um die Grenzen des Möglichen neu zu definieren.  (mr)

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