Erste Retourkutsche aus Peking US-Halbleiter-Boykotte: China keilt zurück

Von Henrik Bork* 4 min Lesedauer

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China hat im „Chip War“ mit den USA zum ersten Mal zurückgeschlagen: Micron Technology, einer der größten Hersteller von Speicherchips aus Boise in Idaho, ist zum Opfer einer für seine Geschäfte gefährlichen Razzia in China geworden.

China hat eine Ermittlung gegen Speicherspezialist Micron eingeleitet. Sie soll klären, ob das US-Unternehmen sämtliche Regularien zur Cybersicherheit in China einhält. Beobachter gehen davon aus, dass die nun angestrengte Untersuchung politisch motiviert ist.
China hat eine Ermittlung gegen Speicherspezialist Micron eingeleitet. Sie soll klären, ob das US-Unternehmen sämtliche Regularien zur Cybersicherheit in China einhält. Beobachter gehen davon aus, dass die nun angestrengte Untersuchung politisch motiviert ist.
(Bild: Clipdealer)

Die Cyberspace Administration of China (CAC) gab am 31. März bekannt, dass sie eine „Untersuchung zur Cybersecurity“ gegen die Niederlassung von Micron in China angestrengt hat. Ziel sei es, „zentrale Aspekte der Sicherheit der Informations-Infrastruktur-Lieferketten” zu gewährleisten, hieß es in einer kurzen Stellungnahme der obersten chinesischen Aufsichtsbehörde für Cybersecurity.

Beobachter gehen davon aus, dass die nun angestrengte Untersuchung politisch motiviert ist und Chinas erste Retourkutsche im Technologiekonflikt darstellt, den Washington im Herbst 2020 mit ersten Halbleiter-Boykotten gegen China begonnen und seither schrittweise verschärft hat. Sprecher des chinesischen Außenministeriums bestreiten dies und sprechen von einer „Routine-Untersuchung“.

Auch die USA bedienen sich des Arguments der „nationalen Sicherheit“, um Lieferstopps von fortgeschrittenen Halbleitern in die Volksrepublik zu rechtfertigen, mit denen der Aufstieg der chinesischen Halbleiterindustrie und seines Militärs gebremst und langfristig Chinas Aufstieg zu einem aus Sicht der USA gefährlichen Rivalen auf der Weltbühne verzögert werden sollen.

Warnschuss gegen weitere Technologie-Boykotte?

Obwohl noch unklar ist, wie lange die chinesische Cybersecurity-Untersuchung gegen Micron dauern und zu welchen Ergebnissen sie kommen wird, so wird sie von amerikanischen und anderen ausländischen Unternehmen in China doch als klarer Warnschuss gegen weitere Tech-Boykotte gegen China verstanden. Auch ist das Compliance-Risiko sämtlicher ausländischer Unternehmen in China gerade weiter gewachsen, weil schließlich niemand sicher sein kann, nicht als nächster zur Zielscheibe solcher Untersuchungen zu werden.

Der Prozess selbst wird laut CAC mindestens einen Monat dauern. Eine ähnliche Cybersecurity-Überprüfung des chinesischen Ride-Sharing-Konzerns Didi Chuxing hatte jedoch rund ein Jahr gedauert. Am Ende hatte die CAC eine Strafe von 1,2 Milliarden US-Dollar gegen Didi Chuxing verhängt, das zuvor gegen den ausdrücklichen Willen der kommunistischen Führung in China eine Börsennotierung in den USA angestrebt hatte. Dies war mit der Cybersecurity-Überprüfung erfolgreich vereitelt worden.

Muss Micron mit Verkaufsverbot rechnen?

Auch Micron könnte eine Strafe drohen, falls die Aufsichtsbehörden irgendwelche Belege für Verstöße gegen eines der drei relativ jungen Cybersecurity-Gesetze in China finden sollte. Schlimmstenfalls könnte es sogar zu Einschränkungen oder Verboten eines Teils von Microns China-Geschäft kommen.

Peking hatte lange gezögert, im „Chip War“ mit den USA nach dem Prinzip Zahn um Zahn zurückzuschlagen. Der Beginn dieser Untersuchung darf als Signal verstanden werden, dass China die Hoffnung auf eine Besserung der Beziehungen zu den USA vorerst aufgegeben hat und momentan nur noch an einer Schadensbegrenzung interessiert ist.

Auch andere Handelspartner Chinas sind gewarnt

Adressat dieses deutlichen Warnsignals sind neben den USA auch andere Handelspartner Chinas, die in Versuchung stehen, sich im Technologie- und Handelskonflikt mit China zu stark auf die Seite der Amerikaner zu schlagen. So sind etwa die beiden südkoreanischen Unternehmen Samsung Electronics und SK Hynix zwei große Player im globalen Markt für Memory-Chips. Beide haben Fabriken und erwirtschaften bedeutende Umsätze in China.

Die USA üben Druck auf Südkorea, aber auch auf Japan, die Niederlande und andere Länder aus, um relevante High-Tech-Unternehmen in diesen Ländern gegen Exporte von Halbleitern oder Ausrüstungen und Software für deren Herstellung nach China abzuhalten.

Beobachter: Micron ist eher ein „soft target“

Analysten wiesen daraufhin, dass Micron aus chinesischer Perspektive ein relativ harmloses Ziel für einen solchen Warnschuss ist (ein sogenanntes „Soft Target“), weil es bereits chinesische Produzenten gibt, die den Bedarf an Speicherchips in China decken können, sollte durch die Maßnahmen gegen Micron eine Versorgungslücke entstehen – allen voran Yangtze Memory Technologies und Changxin Memory Technologies.

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Mit Boykotten gegen US-Chiphersteller wie Nvidia hingegen könnte sich Peking leicht „selbst in den Fuß schießen“, weil es für deren Produkte in China keinen Ersatz gebe, hieß es in einer Vielzahl von Analysten. Auch muss Peking sein Interesse an Vergeltungsmaßnahmen gegen Washington und dessen Verbündete einerseits gegenüber seinem Interesse einer weiteren Modernisierung seiner Fertigungs-Industrien andererseits abwiegen.

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China ist bis auf Weiteres auf moderne US-Halbleiter angewiesen

China braucht moderne Halbleiter, auch aus den USA. Dieses Dilemma erklärt nicht nur das lange Zögern Pekings in diesem Fall, sondern auch ein Stück weit die Wahl von Micron als Exempel. Das US-Unternehmen hat im Finanzjahr 2022 nur rund 10,7 Prozent seiner globalen Umsätze in China gemacht.

Während der Börsenkurs von Micron nach der Ankündigung der Cybersecurity-Untersuchung in China absackte, stiegen gleichzeitig die Börsenkurse der meisten chinesischen Chip-Hersteller. Die Anleger gegen davon aus, dass diese weitere Eskalation des Halbleiterkonflikts zwischen Washington und Peking ein Vorbote davon ist, dass die chinesische Führung ihre Anstrengungen zum Aufbau ihrer heimischen Halbleiterindustrie weiter verstärken wird. (me)

* Henrik Bork ist Managing Director und Analyst bei Asia Waypoint, einem auf den asiatischen Markt fokussierten Beratungsunternehmen mit Sitz in Peking.

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