Globaler Negativrekord Chinas Halbleiterindustrie: Umsätze und Gewinne eingebrochen

Von Hendrik Bork* 4 min Lesedauer

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Umsatz minus 34 Prozent, Gewinn teilweise minus 80 Prozent: Der Abschwung in Chinas Chipindustrie hat sich im ersten Quartal 2023 beschleunigt. Und er ist im globalen Vergleich deutlich stärker ausgeprägt als in Regionen wie Europa, Japan und den USA.

Zuviel Kontrolle, zuwenig Maschinen: Chinas Halbleitermarkt ist in den letzten Monaten deutlich eingebrochen. Trotzdem investiert der Einparteienstaat unbeirrt in den Aufbau von Hightech-Industrien.
Zuviel Kontrolle, zuwenig Maschinen: Chinas Halbleitermarkt ist in den letzten Monaten deutlich eingebrochen. Trotzdem investiert der Einparteienstaat unbeirrt in den Aufbau von Hightech-Industrien.
(Bild: frei lizenziert / Pixabay)

China war lange dafür bekannt, jedes Jahr wirtschaftlich von Rekord zu Rekord zu stürmen. Seit Corona ist der Gipfel offenbar erst einmal erreicht, derzeit geht es im Rekordtempo abwärts. Beispiel Halbleiterindustrie: Die gerade veröffentlichten Halbjahresberichte der größten Chiphersteller des Landes zeigen deutliche Einbußen bei den Reingewinnen.

Die nach den exzessiven Corona-Maßnahmen der chinesischen Regierung nur ganz langsam wieder in Fahrt kommende Binnenkonjunktur und die Boykotte bei Chips und Ausrüstungen für deren Herstellung seitens der USA und ihrer Verbündeten werden von Analysten in Asien als die Hauptgründe für den Abschwung in der Chipindustrie der Volksrepublik genannt, der selbst vor dem Hintergrund der globalen Konjunkturflaute in der Industrie noch deutlich härter ausfällt als in anderen Weltregionen.

Gewinneinbruch bei einigen Unternehmen von 70 bis 85 Prozent

So sanken beispielsweise die Reingewinne von Sanan Optoelectronics im ersten Halbjahr um mehr als 75 Prozent, berichtete das Fachportal Bandaoti Xinwen. Die Zahlen seien noch vorläufig, hieß es gleichzeitig. Der Einbruch könnte endgültig sogar bei bis zu 85 Prozent liegen, wenn alle Statistiken bereinigt sind.

Ein weiterer großer Chiphersteller in der Volksrepublik, JCET, sah seine Reingewinne im ersten Halbjahr 2023 um rund 70 bis 75 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum schrumpfen. Bei GigaDevice waren es mehr als 80 Prozent, und bei Sino Wealth konnten dem eigenen Halbjahresbericht rund 70 bis 74 Prozent weniger Gewinne verbucht werden.

Damit setzte sich der Abschwung fort, der in China in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres begonnen hatte. „Im ersten Quartal dieses Jahres sind die Halbleiterverkäufe in allen Weltregionen gesunken und in China sanken sie am meisten“, berichtet das chinesische Halbleiterportal Dianzi Gongcheng Zhuanji.

Ausgeprägte Konjunkturflaute in Chinas Halbleiterindustrie

Den bereits vorliegenden, detaillierten Berichten für das erste Quartal 2023 zufolge war die Konjunkturflaute in der Halbleiterindustrie nirgendwo so ausgeprägt wie in China. Während der Absatz von Halbleitern in Europa in Q1 um 0,7 Prozent, in Japan um 1,3 Prozent und in den USA um 16,4 Prozent zurückging, sank er in China im selben Zeitraum um 34,1 Prozent. Dies ist einem Bericht der amerikanischen Global Semiconductor Industry Association (SIA) zu entnehmen.

Lediglich im Monat Juni gab es einen Lichtblick. Die Produktion von integrierten Schaltkreisen in China stieg um 5,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat auf 32,2 Milliarden Einheiten, meldete die Nationale Statistikbehörde in Peking. Für das gesamte erste Halbjahr lag sie dennoch um drei Prozentpunkte niedriger als ein Jahr zuvor (mit rund 161 Milliarden Einheiten).

Ein Grund war, dass Chinas Wirtschaft insgesamt in der Folge der erst zum Jahreswechsel eingestellten Corona-Maßnahmen nur sehr schleppend wieder in Fahrt kommt. Die Produktion und der Absatz von Laptops und Handys ist gesunken.

Deutlich weniger Ausrüstungen zur Chipherstellung installiert

Doch auch die geopolitischen Spannungen wirken sich sehr negativ auf die Chipbranche in der Volksrepublik aus. Chinas führende Chipunternehmen haben aufgrund der seit drei Jahren schrittweise immer weiter verschärften US-Boykotte von Ausrüstungen zur Chipherstellung zunehmend Schwierigkeiten, ihre Produktion in gewohnter Höhe aufrecht zu erhalten. So sanken die Verkäufe von Maschinen und anderen Ausrüstungen zur Chipherstellung nach China im ersten Quartal dieses Jahres um 23 Prozent, während sie in anderen Weltregionen zunahmen.

China war damit zwar nicht mehr der weltweit größte Markt für Halbleiterausrüstungen, wie noch ein Jahr zuvor, aber immerhin noch die globale Nummer Zwei, nach Taiwan und vor Südkorea. Viele Analysten warnen außerdem, dass es sich bei diesen Auswirkungen der Boykotte um ein kurzlebiges Phänomen handeln könnte, weil Peking nun den Ausbau seiner heimischen Chipindustrie noch stärker vorantreibt als vorher.

Zunächst ist das Wachstum der chinesischen Chipindustrie allerdings deutlich ausgebremst. Von Januar bis April dieses Jahres importierte China nur noch Werkzeuge zur Wafer-Herstellung, Halbleiter-Geräte, integrierte Schaltkreise oder Flat-Panel-Displays aus den USA für 1,05 Milliarden US-Dollar. Das waren 50 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.

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Chiphersteller haben Schwierigkeiten, an neue Maschinen zu gelangen

Die Schwierigkeiten führender Chiphersteller in China, an die meist in den USA, den Niederlanden und Japan hergestellten Ausrüstungen für ihre Fabriken zu gelangen, zeigten konkrete Wirkungen. So musste beispielsweise die „Semiconductor Manufacturing International Corporation“ (SMIC), Chinas größter Chiphersteller, die Massenproduktion in seinem neuen Werk in Peking um mehrere Monate zurückstellen.

Doch die Boykottefeuerten nicht nur massive Investitionen in chinesische Ausrüstungshersteller an. Sie schadeten auch amerikanischen Chipherstellern, die auf dem für sich wichtigen Markt Milliarden US-Dollar an Einbußen hinnehmen müssen. Außerdem hat China reagiert, etwa mit einem teilweisen Marktausschluss für den US-Speicherhersteller Micron.

Der amerikanische Industrieverband SIA hat daher kürzlich an die Regierung von Joe Biden appelliert, „von weiteren Restriktionen Abstand zu nehmen“. Auch prominente Manager von Nvidia oder Intel warnten vor einer Fortsetzung des „Chip-Krieges“ mit China. Jensen Huang, der CEO von Nvidia, sprach von einem „enormen Schaden“ für die Hightech-Industrie in den USA, sollte sie vom chinesischen Markt abgeschnitten werden und dann selbst weniger Geld für Forschung & Entwicklung ausgeben können. (me)

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