Mess- und Prüftechnik für 6G „Für SubTHz-Frequenzen sind neue und verbesserte Messungen erforderlich“

Das Gespräch führte Dipl.-Ing. (FH) Hendrik Härter 7 min Lesedauer

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Der künftige 6G-Standard erfordert nicht nur verbesserte HF-Tests. Es geht auch um eingebettete KI und maschinelles Lernen. Denn KI-Algorithmen wandern in die Hardware und müssen ebenfalls gründlich getestet werden.

Mess- und Prüftechnik für 6G: Auf dem IEEE 6G Summit in Dresden diskutierten Experten aus Forschung und Industrie über den künftigen Mobilfunkstandard 6G.
Mess- und Prüftechnik für 6G: Auf dem IEEE 6G Summit in Dresden diskutierten Experten aus Forschung und Industrie über den künftigen Mobilfunkstandard 6G.
(Bild: Gerd Altmann / Pixabay)

Das Wissen zu den Themen 5G und 6G bündeln: Das war das Ziel des IEEE 6G Summit in Dresden Anfang Mai. Mit dem branchenübergreifenden Wissen haben sich die Teilnehmer aus Forschung und Industrie über den Einsatz von 5G und perspektivisch zu 6G informiert. Im Anschluss an die Konferenz sprach die ELEKTRONIKPRAXIS mit Thomas Benjamin von NI. Benjamin ist CTO und Executive Vice President des Technologieunternehmens.

Herr Benjamin, wie unterscheidet sich das Testen von Komponenten für 6G von dem für 5G und wie muss die Hardware an die Millimeterwellen-Frequenzen angepasst werden?

„Für den künftigen 6G-Standard ist neue und bessere Mess- und Prüftechnik notwendig“, sagt Thomas Benjamin von NI.
„Für den künftigen 6G-Standard ist neue und bessere Mess- und Prüftechnik notwendig“, sagt Thomas Benjamin von NI.
(Bild: Jason Griego / NI)

Die 6G-Spezifikation wird erst in einigen Jahren ratifiziert werden. Schaut man sich an, wo wichtige Forschungsarbeiten stattfinden, kann man erahnen, welche Technologien Teil des 6G-Standards werden könnten. Für viele dieser Technologien werden keine Änderungen an den Tests erforderlich sein, aber für einige könnte dies der Fall sein: Da ist zum einen der SubTHz-Bereich. Mit dem 5G-Standard wurde die Möglichkeit der Kommunikation mit Millimeterwellen eingeführt. Der 6G-Standard erweitert diese Möglichkeiten auf Frequenzen oberhalb von 100 GHz, die auch als SubTHz-Bänder bezeichnet werden.

Diese sogenannten SubTHz-Bänder liegen zwischen den heute für die drahtlose Kommunikation genutzten Frequenzbändern und den optischen Frequenzen und weisen Eigenschaften beider Frequenzbänder auf. Für die genaue Messung von Signalen in diesem Frequenzbereich müssen daher neue Messgeräte entwickelt werden. Auf der anderen Seite geht es um eingebettete künstliche Intelligenz/maschinelles Lernen. Mit der Integration von KI in Teile des Network Stacks wird das Testen von 6G wesentlich komplexer. Der Test von KI unterscheidet sich vom Testen von Komponenten mit bekannten Funktionen. Getestet wird, wie sich die KI verhält, wenn sie unter den unendlich variablen Bedingungen der realen Welt eingesetzt wird. Um die Zuverlässigkeit der eingebetteten KI zu überprüfen, gibt es zwei wesentliche Faktoren:

Daten: Zunächst benötigen Sie genügend Trainings- und Validierungsdaten in ausreichender Menge und Qualität. Denn bei KI-basierten Systemen sind die Daten der Algorithmus. Ohne eine ausreichende Qualität und Quantität von Trainings- und Validierungsdaten, die auf Szenarien basieren, haben sie weder einen Algorithmus noch ein Design.

Infolgedessen sind die Daten jetzt viel wichtiger und sensibler. Sie benötigen neue Methoden zur Organisation, Verwaltung, Kennzeichnung und Vorverarbeitung dieser Daten, um Ergebnisse zu erzielen.

Test auf Systemebene: Zweitens braucht man ein Testsystem, das die Bedingungen, denen der Prüfling im Einsatz ausgesetzt ist, vollständig emulieren kann, so dass man unter den sicheren Bedingungen des Labors angemessene Tests unter realen Bedingungen erfolgen kann. Da drahtlose Systeme zunehmend auf KI/ML-Algorithmen basieren, müssen diese Systeme auch unter einer unendlichen Anzahl von Szenarien funktionieren, die sie im Einsatz durchlaufen könnten. Anstelle der traditionellen Stimulus-Response-basierten Tests müssen wir daher umdenken: Welche Szenarien müssen wir testen?

Der Entwurfsprozess für die Entwicklung solch komplexer Systeme erfordert eine viel engere Integration von Entwurf und Test. Verglichen mit dem traditionellen Modell, bei dem ein physischer Prototyp gebaut, getestet und dann die Entwurfsschleife wiederholt wird, bis ein Produkt zur Auslieferung an den Kunden bereit ist, führen die Unternehmen den Entwurf und das Testen dieser fortschrittlicheren Systeme zunehmend in einer softwarebasierten virtuellen Welt durch, in der Kosten und Geschwindigkeit verbessert werden. Dazu gehören Software-in-the-Loop-, Model-in-the-Loop- und Hardware-in-the-Loop-Tests auf der Grundlage realer Szenarien.

Wie lautet Ihr Fazit zum künftigen 6G-Standard für Mess- und Prüftechnik?

Erstens brauchen wir neue, verbesserte Messungen für 6G. Das hängt direkt mit den SubTHz-Frequenzbändern zusammen. Frequenzen zwischen 90 und 300+ GHz versprechen eine viel größere Bandbreite. Sie bringen jedoch einige Schwierigkeiten mit sich, darunter die begrenzte Verfügbarkeit von Testgeräten. Die Frequenzen weisen Eigenschaften konventioneller HF- und optischer Wellen auf und stellen sowohl den Systementwickler als auch den Testingenieur vor besondere Herausforderungen. Neue, kostengünstige Testgeräte für diese Frequenzen werden benötigt.

Zweitens wird der zukünftige 6G-Standard für die Mess- und Prüftechnik von den zwei Faktoren abhängen: Daten und Tests auf Systemebene. Diese beiden Faktoren sind der Schlüssel zur erfolgreichen Entwicklung eingebetteter KI, auf deren fehlerfreien Betrieb unter den unendlich variablen Bedingungen der realen Welt wir uns alle verlassen können.

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NI hatte auf dem 6G Summit zwei Demos gezeigt. Was genau präsentierte Ihr Unternehmen?

Zunächst zeigen wir eine Demo der RF Data Recording API, die wir kürzlich als Open-Source-Code veröffentlicht haben. Sie steht allen Forschern kostenlos auf Github zur Verfügung. Die Datenaufzeichnungs-API benötigt nur eine textbasierte Konfigurationsdatei, um komplexe Szenarien mit mehreren HF-Sendern und -Empfängern über einen großen Bereich von Parametern zu konfigurieren. Der Code führt NI SDR USRPs aus und ermöglicht es, Daten aus der realen Welt zu erfassen. Die aufgezeichneten IQ-Samples werden im Signal Metadata Format (SigMF-Format) gespeichert. Damit sind umfassende Szenariobeschreibungen mit JSON-basierter SigMF-Metadatendateien möglich. Sie sind für Menschen lesbar und einfach zu parsen. Für die Präsentation hatten wir uns für die Anwendung Spectrum Sensing entschieden und den gesammelten Datensatz verwendet, um das ML-Modell für die Erkennung und Lokalisierung von 5G-, LTE- und Radarsignalen zu trainieren.

Zum anderen zeigten wir das End-to-End-Testbed von NI mit USRP X410 und OAI (Open Air Interface) für die Forschung im Zusammenhang mit 5G und 6G. Die OAI-Referenzarchitektur für die Forschung an 5G und 6G mit dem USRP ist der Entwurf für ein System, das wichtige Anforderungen an ein Hardware-Testbed für die Prototypisierung von 5G/6G-Technologie erfüllt. Es verwendet den weit verbreiteten OAI 5G-NR-Protokollstapel, einschließlich des 5G-Kernnetzes.

Darin wird genau beschrieben, wie man einen komplexen Systemaufbau erstellt und alle Parameter korrekt konfiguriert. Es kann mit drahtlosen Modemmodulen, handelsüblichen Handgeräten und USRP-basierten Software-UEs verbunden werden. Die Referenzarchitektur wurde von NI-Ingenieuren validiert, um sicherzustellen, dass sie die spezifizierte Leistung erbringt und die von NI empfohlene Lösung zum schnellstmöglichen Aufbau eines Echtzeitkommunikationssystems bietet. Basierend auf der Standard-Hardwarekonfiguration und Open-Source-Software eignet sich diese Lösung ideal für den schnellen Übergang von Wireless-IP durch den gesamten Entwicklungszyklus: von der Software-Simulation bis zur Proof-of-Concept-Demonstration.

In einem Round-Table-Gespräch lag der Fokus auf der Zukunft von 6G. Wie sehen Sie die Zukunft von 6G und welche technischen Entwicklungen erwarten Sie?

Neue und höhere Frequenzspektren mit mehr Bandbreite und die bestehenden Frequenzbänder besser auslasten.
Neue und höhere Frequenzspektren mit mehr Bandbreite und die bestehenden Frequenzbänder besser auslasten.
(Bild: NI)

Da die Mobilfunktechnologie einen Sättigungspunkt auf dem Markt erreicht hat (jeder auf der Welt, der sich ein Smartphone leisten kann, hat auch eines), muss sich die Branche an die neuen wirtschaftlichen Gegebenheiten anpassen - das bedeutet, dass die Unternehmen mehr Zeit darauf verwenden werden, die Entwicklungs- und Bereitstellungskosten zu senken, die Zeit bis zur Markteinführung neuer Produkte zu verkürzen, die Energieeffizienz der Lösungen zu verbessern und vieles mehr. Gleichzeitig werden Unternehmen nach neuen Anwendungs- und Geschäftsmodellen für mobile Technologien suchen, um alternative Einnahmequellen zu erschließen. Wir müssen uns damit beschäftigen, wie Messdaten helfen können, Einblicke zu gewinnen, mit denen sich die Leistung von Produkten und Unternehmen verbessern lässt.

Von 1G bis 4G konzentrierten sich die Mobilfunkstandards stark auf Verbindungen, die von Menschen initiiert wurden. Bei 1G und 2G riefen Menschen andere Menschen an. Und bei 3G und 4G verlagerte sich der Schwerpunkt auf Menschen, die Informationen oder Unterhaltung suchten. Aber mit 5G Advanced auf dem Weg zu 6G erwarten wir mehr Maschinen (vielleicht intelligente Maschinen), die Verbindungen zu anderen intelligenten Maschinen herstellen. Autonome Land- und Luftfahrzeuge, landwirtschaftliche Geräte, Roboter und die drahtlosen Netze selbst werden sich über Mobilfunkverbindungen selbst organisieren. Um diesen Wandel zu ermöglichen, sind kürzere Latenzzeiten, neue Arten von Sensoren (Radar, Lidar) und neue KI erforderlich.

Vor diesem Hintergrund werden für 6G unter anderem folgende neue Technologien diskutiert: Dazu gehört der Einsatz neuer, höherer Frequenzspektren für mehr Bandbreiten, nicht-terrestrische Netze und integrierte Kommunikation und Sensorik, um eine größere Netzabdeckung und neue Anwendungsgebiete zu ermöglichen, neue Techniken, die eine verbesserte Auslastung und mehr Effizienz in den derzeitigen Frequenzbändern ermöglichen sowie KI/ML-Technologie im gesamten Netz zur Optimierung der Netzleistung und des Nutzererlebnisses.

Arbeitet NI bereits mit anderen Unternehmen zusammen, um Mess- und Testsysteme für 6G zu entwickeln?

Wir arbeiten mit verschiedenen Unternehmen zusammen. Auf dem IEEE 6G Summit haben wir unsere Arbeit mit der Northeastern University vorgestellt. Die HF-Datenerfassungs-API, die wir auf der Messe vorgeführt hatten, ist das Ergebnis unserer Zusammenarbeit mit der Northeastern University im Rahmen des Projekts RF Data Factory zur Entwicklung neuer Tools für die automatische Datenerfassung in einem Standardformat.

Wir arbeiten außerdem mit der Northeastern University an einem Projekt, das das Colosseum-System der DARPA verwendet, um Tests auf Systemebene mit szenariobasierten drahtlosen Emulationssystemen auszuführen. Damit lassen sich die Systeme unter Stressbedingungen testen. Wir diskutierten, wie ein viel kleineres, kostengünstigeres und leistungsfähigeres Testsystem aussehen könnte. Ein System, das in der Lage ist, einen ML-Entwurf zu validieren und dabei zu helfen, wichtige Szenarien im Trainingssatz zu validieren – und damit den Kreislauf zwischen Entwurf und Test zu schließen.

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