Präziseste Maschine zur Chipfertigung High-NA-EUVL: Riesige Technik für winzige Transistoren

Von Michael Eckstein 6 min Lesedauer

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Mit der neuen High-NA-EUV-Lithografie verschieben Zeiss SMT und Partner ASML erneut die Grenzen des Machbaren in der Chipproduktion. Zeiss steuert das Herzstück der Anlage bei: das optische System – rund 18 Tonnen höchste Präzision aus 65.000 Einzelteilen. Die erste Maschine hat ASML Anfang Januar an Intel ausgeliefert, die Chipproduktion damit soll 2025 starten.

Das Zeiss Beleuchtungssystem für die High-NA-EUV-Lithografie wiegt rund sechs Tonnen und besteht aus mehr als 25.000 Einzelteilen.
Das Zeiss Beleuchtungssystem für die High-NA-EUV-Lithografie wiegt rund sechs Tonnen und besteht aus mehr als 25.000 Einzelteilen.
(Bild: ZEISS)

Stellen Sie sich eine kreisrunde Fläche von der Größe Deutschlands (357.588 Quadratkilometer) vor, deren höchste Erhebung 100 Mikrometer misst. Oder anderes ausgedrückt: Deutschlands höchster Berg, die Zugspitze, statt stolzen 2.962 Metern gerade einmal so hoch wie ein Haar. Und alle Mittelgebirge und anderen Erhebungen: deutlich niedriger. Was unvorstellbar klingt, ist in der modernsten Chipfertigung Realität: So glatt sind die Spiegel, die in den Waferscannern der neusten Generation zum Einsatz kommen (die Größenverhältnisse proportional auf einige dutzend Zentimeter Spiegeldurchmesser skaliert). Nur ein Unternehmen weltweit ist in der Lage, sie zu fertigen: Zeiss Semiconductor Manufacturing Technology (SMT).

Ohne das deutsche Unternehmen und seinen strategischen Partner ASML aus den Niederlanden, Weltmarktführer für Halbleiterfertigungsanlagen, läuft in der Produktion modernster Mikrochips global gar nichts. Erst die mittlerweile etablierte „Extreme Ultra Violet“-Lithografie (kurz: EUVL) macht es seit etwa 2017 möglich, mit darauf basierenden Waferscannern kleinstmögliche Strukturen (critical dimensions, CD) von winzigen 13 Nanometer (nm) „Größe“ zuverlässig wiederholbar auf Chipsubstrate zu belichten – und somit ICs mit sehr hoher Transistordichte als Massenprodukte zu fertigen.

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Nächster Halt: High-NA-EUV-Lithografie

Nun folgt der nächste Schritt: ASML hat den ersten Waferscanner der Modellreihe EXE ausgeliefert, der mit High-NA-EUVL eine noch höhere Detailauflösung erreicht, nämlich 8 nm (mehr zu High-NA unten). Herzstück dieser Anlage von der Größe eines Reisebusses ist das optische System von Zeiss – ein feinmechanisch-optisch-elektronisches Meisterwerk, das aus zwei Baugruppen besteht: Erstens dem Beleuchtungssystem für die High-NA-EUV-Lithografie aus rund 25.000 Einzelteilen (!), das über sechs Tonnen (!) wiegt. Und zweitens der Projektionsoptik, deren mehr als 40.000 Einzelteile (!) sich zu rund zwölf Tonnen (!) Gewicht summieren.

Diese Projektionsoptik sorgt für die hochpräzise, nanometergenaue Fokussierung des Lichts im Waferscanner. Nach Angaben von Zeiss SMT lässt sich mit High-NA-EUVL die Transistordichte auf Mikrochips um den Faktor drei steigern, weil die Strukturen auf dem fertigen Mikrochip nur noch wenige Nanometer messen. Dies verspricht noch leistungsfähigere, energieeffizientere und kostengünstigere Chips als bisher.

ASML hat die erste EXE:5000-Maschine kürzlich ausgeliefert, die Serienfertigung auf Basis der neuen Technologie soll 2025 beginnen. Die ersten ICs, die damit hergestellt werden, sind laut ASML Logikchips mit 2 nm Prozessknoten. Speicherchips mit einer ähnlichen Transistordichte werden folgen.

Mehr Licht für mehr Details

Der Aufwand, der für die kommenden IC-Generationen getrieben wird, ist enorm. Mikrochips werden im Lithografie-Verfahren in Waferscannern hergestellt. Die Anlagen belichten mithilfe mehrerer unterschiedlicher Fotomasken die verschiedenen Lagen der Chipstruktur Schicht für Schicht auf jeden einzelnen Wafer – ähnlich wie bei einem Diaprojektor.

Im Gegensatz zu diesem verwendet das optische System von Zeiss aber keine transparenten Linsen, um das Licht zu fokussieren. Der Grund: Es gibt schlicht kein Material, das die UV-Strahlung nicht zu stark dämpfen oder gleich ganz absorbieren würde. Daher setzt Zeiss Spiegel ein, die das Licht reflektieren und nanometergenau an die richtige Stelle lenken.

EUVL verwendet Licht, oder besser: elektromagnetische Strahlung, mit einer Wellenlänge von nur 13,5 nm im extremen UV-Spektrum – daher die Bezeichnung. Zum Vergleich: Bisherige „Deep UV“-Lithografie (DUVL) nutzt Laser mit 193 nm Wellenlänge. Damit lassen sich CD-Strukturen von minimal etwa 30 nm erreichen. Mit EUVL sind es bislang ca. 13 nm.

Mit High-NA-EUVL will man nun in den einstelligen Nanometerbereich vorstoßen. Konkret sollen die neuen EXE-Anlagen von ASML 8 nm kleine Strukturen ermöglichen. Zur Erinnerung: Ein Nanometer entspricht 10-9 Meter oder 0,0000001 Zentimetern. Zum Vergleich: Etwa 2 nm beträgt der Durchmesser einer DNS-Doppelhelix im menschlichen Erbgut. Das Corona-Virus Sars-CoV-2 hat einen Durchmesser von etwa 80-140 nm.

High-NA-EUVL: Die Grenzen des Machbaren verschieben

Für das Skalieren der CD sind auch bei EUVL zwei Stellschrauben entscheidend: die Wellenlänge Lambda der verwendeten Strahlung und die Numerische Apertur (Numerical Aperture, NA). Da Lambda durch die Lichtquelle vorgegeben ist, bleibt noch NA.

NA steht für den Öffnungswinkel der Projektionsoptik – und ist ein Maß für die Fähigkeit eines optischen Systems, Licht zu sammeln und zu fokussieren. Je größer NA ist, desto besser ist die Auflösung bei der Belichtung. Bisherige EUV-Scanner (die Modellreihe NXE von ASML) arbeiten mit einer NA von 0,33, die neuen EXE-Systeme mit 0,55 – daher die Bezeichnung High-NA.

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Das Problem: Große Öffnungswinkel lassen sich bei EUV-Optiken nur mit sehr großem technischem Aufwand realisieren, da man hier in physikalischen Grenzregionen unterwegs ist. „Die feinsten Strukturen, die präzisesten Optiken, die komplexeste Messtechnik: Wenn wir über High-NA-EUV-Lithografie sprechen, geht das nicht ohne Superlative“, sagt denn auch Andreas Pecher, Mitglied im Zeiss Vorstand und President & Chief Executive Officer der Sparte SMT.

Spiegelschichten nur wenige Atomlagen dick

Um die angepeilte Detailauflösung zu erreichen, müssen die Spiegel überaus präzise sein. Dafür dampft Zeiss auf die Spiegeloberfläche mehr als 100 extrem dünne Silizium- und Molybdän-Schichten auf – jede Schicht nur wenige Atomlagen stark.

Wie weit die Präzision reicht, verdeutlicht ein Gedankenexperiment: Würde man den Spiegel auf die Fläche von Deutschland vergrößern – also auf 357.588 Quadratkilometer, wäre die größte Unebenheit weniger als 100 Mikrometer groß. „Das sind 0,01 Zentimeter – fast so fein wie ein menschliches Haar“, sagt Dr. Peter Kürz, Leiter des Geschäftsfelds High-NA-EUV-Lithografie bei Zeiss SMT.

„Durch die größere numerische Apertur und die neuen Spiegel für die High-NA-EUV-Lithografie können wir mehr Licht einfangen und damit noch detailreicher und präziser belichten“, sagt Kürz. Konkret heißt das: Die CD liegt jetzt bei 8 nm, wodurch sich um Faktor 1,7 kleinere Transistoren realisieren lassen als bisher. Pecher ergänzt: „Die High-NA-EUV-Lithografie wird eine drei Mal so hohe Dichte an Transistoren auf Mikrochips ermöglichen wie bisher und so die Rechenleistung vervielfachen.“

Pionierarbeit: Messtechnik ist 150 Tonnen pure Präzision

Bereits mit der heute genutzten EUVL lassen sich monolithisch integrierte Chips mit mehr als 90 Milliarden Transistoren fertigen – etwa Apples M3 Max, den TSMC im N3-Prozess herstellt. Mit High-NA-EUVL werden es dann deutlich mehr als 200 Milliarden Halbleiterschalter sein. Zum Vergleich: 1970 passten gerade einmal 1.000 Transistoren auf einen Mikrochip. Dafür waren allerdings die Fertigungsanlagen viel kleiner: „Je kleiner die Chipstrukturen werden sollen, desto größer ist das optische System aus Projektionsoptik und Beleuchtungssystem“, erklärt Kürz das reziproke Verhältnis.

Auch der Aufwand für das notwendige Messen und Testen der Hochpräzisionstechnik nimmt drastisch zu. Um die Qualität der Spiegel beurteilen zu können, braucht es Messtechnik, die noch präziser ist als die „Devices under Test“ (DUT). „Eine solche Messtechnik gab es aber nicht. Also haben wir sie gemeinsam mit ASML parallel zur High-NA-EUV-Lithografie entwickelt und damit Pionierarbeit weltweit geleistet“, sagt Kürz. Herausgekommen ist die komplexeste Maschine, die Zeiss je gefertigt hat: In Vakuumkammern mit rund fünf Metern Durchmesser prüft das insgesamt 150 Tonnen schwere Messgerät die Qualität der Spiegel nanometergenau.

High-NA-EUVL ist Gemeinschaftserfolg vieler europäischer Partner

Nach eigenen Angaben hat Zeiss über ein Vierteljahrhundert rund zehn Millionen Arbeitsstunden für Forschung und Entwicklung in die High-NA-EUV-Lithografie investiert. Hinzu kommt die Arbeit von rund 1.200 Netzwerkpartnern. Spätestens hier wird klar, dass es sich um ein großes Gemeinschaftsprojekt handelt: „Die High-NA-EUV-Lithografie ist Hightech ‚Made in Europe‘“, betont Pecher.

In der hochinnovativen Technologie stecken mehr als 2.000 Zeiss-Patente, Investitionen in Milliardenhöhe von Zeiss SMT und ASML sowie Fördermittel der Bundesregierung Deutschlands und der Europäischen Union für die technologische Souveränität Europas. „Das Herzstück für die weltweite Mikrochipfertigung kommt aus Europa“, sagt der Zeiss-Chef. Diese europäische Erfolgsgeschichte möchte Zeiss noch lange fortschreiben. „Dafür investieren wir an allen SMT-Standorten in Menschen, Maschinen und Infrastruktur, um die Megatrends der Zukunft zu ermöglichen.“

Der eigene Anspruch sei, „die Digitalisierung weltweit mit unseren Innovationen aktiv zu gestalten, indem wir die Chipindustrie zu neuen Technologiesprüngen befähigen“, erklärt Pecher. Dafür setze sich Zeiss ambitionierte Ziele. „Unser langer Atem über mehr als 25 Jahre hat sich nun bezahlt gemacht: Der neue Waferscanner von ASML für die High-NA-EUV-Lithografie ist die modernste, komplexeste und präziseste Maschine zur Mikrochipfertigung der Welt – und wir sind sehr stolz darauf, mit dem optischen System das Herzstück für diese Maschine bereitzustellen.“ (me)

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