Versions- und Leistungssprung Kompakt-Computer: Neuer Raspberry Pi 5 mit wichtigen Verbesserungen

Von Michael Eckstein 5 min Lesedauer

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Mehr Prozessor- und Grafikrechenleistung, optimierte I/O-Architektur, neue Schnittstellen, verbesserte Fertigung: Der beliebte Einplatinencomputer Raspberry Pi bringt in der neuen Version 5 ein Füllhorn an technischen Neuerungen mit.

Der neue Raspberry Pi 5 ist an den MIPI-Kamera-Schnittstellen und der fehlenden Audiobuchse erkennbar. An deren Stelle sitzt jetzt ein vierpoliger Power-over-Ethernet-Anschluss.
Der neue Raspberry Pi 5 ist an den MIPI-Kamera-Schnittstellen und der fehlenden Audiobuchse erkennbar. An deren Stelle sitzt jetzt ein vierpoliger Power-over-Ethernet-Anschluss.
(Bild: Raspberry Pi Foundation)

Die Raspberry Pi Foundation hat die fünfte Generation ihres Einplatinencomputers Raspberry Pi vorgestellt. Dabei bricht sie mit ihrer bisherigen Tradition und kündigt das Produkt an, bevor es erhältlich ist.

Zwar hatte Stiftungsgründer Eben Upton lange daran festgehalten, dass erst 2024 mit einem neuen Modell zu rechnen sei. Doch nun kommt der neue Raspberry Pi 5 früher als erwartet: Bereits Ende Oktober soll die Auslieferung beginnen. Die gute Nachricht: Trotz einiger technischer Neuerungen erhöht sich der Preis nur moderat: Die 4 GByte-Variante soll es für rund 70 Euro geben, mit 8 GByte Speicher werden es voraussichtlich 90 Euro sein.

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Technisch weitreichend überarbeitet

Der Versionssprung von 4 auf 5 ist durchaus gerechtfertigt, denn der beliebte Einplatinencomputer wurde technisch umfangreich überarbeitet. Da ist zuallererst der neue Zentralchip zu nennen: Der Broadcom Applikationsprozessor BCM2712 ist ein multifunktionaler System-on-a-Chip-Baustein, der nach Angaben von Upton die zwei- bis dreifache Leistung seines Vorgängers BCM2711 erreichen soll. Der Grund: Zwar kommen weiterhin vier Prozessorkerne zum Einsatz, jedoch die rechenstärkere 64-Bit-Variante Cortex-A76 statt bislang Cortex A72. Zudem takten diese mit 2,4 statt bislang 1,5 GHz.

Nach Angaben von Prozessor-IP-Lieferant Arm ist der A76 in Punkto Mikroarchitektur ganze drei Generationen weiter als der A72 und kann mehr Befehle pro Taktzyklus ausführen. Zudem steht den Kernen ein viermal größerer Cache zur Verfügung: Jeder einzelne kann auf 512 kByte L2-Cahe zugreifen, alle zusammen zusätzlich auf 2 MByte Shared-L3-Cache. Als Arbeitsspeicher steht dem SoC 32-Bit-LPDDR4X-SDRAM zur Seite. Das Speicher-Subsystem soll 78 Prozent schneller arbeiten: Nach eigenen Angaben erreicht es 4267 MT/s, in der älteren Version waren es 2000 MT/s.

Optimierte Mikroarchitektur, höherer Takt, kleinere Prozessgeometrie

Möglich wird die Leistungssteigerung unter anderem durch das Fertigungsverfahren des Broadcom-Chips: Der BCM2712 entsteht im 16-nm-Prozess, der Vorgänger noch im 28-nm-Verfahren. Die kleineren aktiven Strukturen auf dem Siliziumchip kommen bei gleichem Takt mit weniger Strom aus. Sprich: Bei vergleichbarem Wärmebudget ist ein höherer Takt möglich. Die Kombination aus optimierter Mikroarchitektur, höherer Taktrate und kleinerer Prozessgeometrie resultiert in deutlich mehr Rechenleistung.

Damit nicht genug: Auch die im SoC integrierte VideoCore-VII-Grafikeinheit wurde überarbeitet und soll jetzt 60 Prozent schneller takten. Sie soll zudem die Grafikprogrammierschnittstellen OpenGL ES 3.1 und Vulkan 1.2 unterstützen. So gerüstet, lassen sich über zwei MicroHDMI-Anschlüsse je ein 4k-Display mit 60 Hertz ansteuern – jetzt auch im HDR-Modus. Ein laut Upton von der Stiftung selbst entwickelter 4k60p-HEVC-Encoder sowie eine neue Image Sensor Pipeline (ISP) runden das Grafik-Subsystem ab. H.264-Videodekodierung muss allerdings die CPU übernehmen, aktuelle Videocodecs wie VP9 und AV-1 unterstützt der Chip weiterhin nicht.

I/O-Funktionen per Chiplet-Architektur ausgelagert

Ganz neu: Die I/O-Funktionen sind beim Raspberry Pi 5 über eine aus dem Applikationsprozessor (AP) ausgelagerte Chiplet-Architektur realisiert. Der AP übernimmt lediglich die wichtigsten schnellen digitalen Schnittstellenfunktionen, etwa SDRAM, HDMI, PCI Express und die SD-Kartenschnittstelle. Alle anderen E/A-Funktionen stellt ein dedizierter Controller bereit, der auf einem älteren, kostengünstigeren Prozessknoten (TSMC 40LP) implementiert und über PCI Express mit dem AP verbunden ist.

Diesen Controller, genannt RP1, hat die Foundation selbst entwickelt. Er bietet zwei USB 3.0- und zwei USB 2.0-Schnittstellen, einen Gigabit-Ethernet-Controller, zwei vierspurige MIPI-Transceiver für Kamera und Display, einen analogen Videoausgang, 3,3 V Allzweck-E/A (GPIO) und die übliche Sammlung von Low-Speed-Schnittstellen (UART, SPI, I2C, I2S und PWM). Eine Vier-Lane-PCI-Express-2.0-Schnittstelle bindet den BCM2712 mit 16 GByte/s an. Laut Upton ist der RP1 „das am längsten laufende, komplexeste und mit 15 Millionen US-Dollar teuerste Projekt, dass die Raspberry Pi Foundation bislang durchgeführt hat“.

Neues Power-Management-IC von Renesas

Dritte neue Chipset-Hauptkomponente auf dem Board ist der Power-Management-IC (PMIC) DA9091 „Gilmour“ von Renesas. Wie der Aufdruck unschwer erkennen lässt, ist dies ein von Dialog Semiconductor stammender Chip. Renesas hatte das deutsch-britische Unternehmen 2021 übernommen. Der PMIC integriert laut Upton acht separate Schaltnetzteile zum Erzeugen der verschiedenen für das Board erforderlichen Spannungen, einschließlich einer vierphasigen Kernversorgung, die 20 Ampere Strom zur Versorgung der Cortex-A76-Kerne und anderer digitaler Logik im BCM2712 liefern kann.

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Für die drahtlose Funkanbindung zeichnet weiterhin der CYW43455 Combo-Chip von Cypress/Infineon verantwortlich. Er stellt Dual-Band 802.11ac Wi-Fi und Bluetooth 5.0 mit Bluetooth Low-Energy (BLE) bereit. Die Anbindung an das SoC über eine aktualisierte SDIO-Verbindung soll höhere Datenraten ermöglichen. Das Broadcom-Gigabit-Ethernet-PHY BCM54213 übernimmt den kabelgebundenen Netzwerkanschluss. Auf dem Board sitzt jetzt auch ein vierpoliger PoE-Anschluss – laut Upton vereinfacht dies das Platinenlayout, allerdings auf Kosten der Kompatibilität mit bestehenden PoE- und PoE+-HATs. Auch die Analog-Audio-Buchse ist ihm zum Opfer gefallen. Für die Audioausgabe ist nun ein separates, per USB gekoppeltes Interface erforderlich.

Optimierte Produktion

Stolz ist man auf eine Reihe von Fertigungsinnovationen, die mit dem Raspberry Pi 5 eingeführt wurden. Eine davon ist das intrusive Reflow-Verfahren für Steckverbinder, das die mechanische Qualität des Produkts verbessert, den Durchsatz erhöht und das teure und energieintensive Selektiv- oder Wellenlötverfahren aus dem Produktionsfluss eliminiert. „Weitere Beispiele sind die vollständig gefräste Panel-Vereinzelung für sauberere Leiterplattenkanten und ein neuer Ansatz für Produktionstests, der durch unsere Erfahrungen mit dem Testen unseres RP2040-Mikrocontrollers in großem Maßstab inspiriert wurde“, sagt Upton.

Passend für den neuen Raspberry Pi 5 hat das Team um Upton das Zubehör für den Kleincomputer überarbeitet. So gibt es neue Aktivkühler, Gehäuse, Stromversorgungen, Kameraverbindungskabel, PoE+- und M.2-HAT-Erweiterungsplatinen.

Betriebssystem Raspberry Pi OS weitreichend verbessert

Parallel zur Hardware-Entwicklung hat das Software-Team der Stiftung eine neue Version von Raspberry Pi OS entwickelt, dem offiziellen Betriebssystem für Raspberry-Pi-Computer. Diese basiert nach eigenen Angaben auf der neuesten Version von Debian (und dessen Derivat Raspbian) mit dem Codenamen „Bookworm“. Laut Upton enthält es zahlreiche Verbesserungen, „insbesondere den Übergang von X11 zum Wayfire Wayland Compositor auf Raspberry Pi 4 und 5“.

Die neue Version von Raspberry Pi OS soll bereits Mitte Oktober auf den Markt kommen und wird das einzige unterstützte Betriebssystem für den Raspberry Pi 5 sein. Der Raspberry Pi 5 lässt sich über die autorisierten Reseller vorbestellen. Die unverbindliche Preisempfehlung liegt bei 60 US-Dollar für das 4-GB- und 80 US-Dollar für das 8-GB-Modell (vor Steuern). (me)

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