Sinkende Nachfrage KI-Chips: Handelsbeschränkungen setzen Nvidias China-Geschäft zu

Von Henrik Bork* 3 min Lesedauer

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Nvidias leistungsbeschränkte KI-Chips kommen bei chinesischen Anwendern offenbar nicht gut an. Wichtige Großkunden bestellen weniger als ursprünglich geplant, berichtet das Wall Street Journal.

Der KI-Prozessor H100, Codename Hopper, steht auf der Sanktionsliste der US-Regierung. Nvidia darf ihn nicht in China verkaufen und hat deswegen leistungsreduzierte Modelle entwickelt. Chinesische Kunden setzen jedoch offenbar verstärkt auf heimische Produkte, berichtet das WSJ.
Der KI-Prozessor H100, Codename Hopper, steht auf der Sanktionsliste der US-Regierung. Nvidia darf ihn nicht in China verkaufen und hat deswegen leistungsreduzierte Modelle entwickelt. Chinesische Kunden setzen jedoch offenbar verstärkt auf heimische Produkte, berichtet das WSJ.
(Bild: Nvidia)

Nvidia hat spezielle „China-Chips“ entwickelt, um die US-Boykotte zu umgehen. Doch die in ihrer Leistung reduzierten KI-Halbleiter kommen bei den Kunden nicht gut an, berichtet das Wall Street Journal (WSJ) in einer Reportage. Einige der größten Kunden in der Volksrepublik weichen auf Chips aus heimischer Produktion aus, schreibt das Blatt unter Berufung auf „gut informierte Kreise“.

„Chinesische Cloud-Unternehmen – einige der größten Kunden von Nvidia weltweit – sind nicht so wild darauf, seine Chips mit geringerer Leistung zu kaufen“, schreibt WSJ. Sowohl die Alibaba Group, als auch Tencent, also zwei der größten Cloud-Anbieter Chinas, hätten die jüngsten, speziell für den chinesischen Markt entwickelten Chips getestet. Anschließend hätten sie Nvidia mitgeteilt, dass sie viel weniger davon bestellen wollen, als ursprünglich geplant, heißt es in dem Bericht.

Trendforce: Nvidias Marktanteil wird fallen

Seit KI-Anwendungen wie ChatGPT und chinesische Nachbauten die Anforderungen nach der Rechenleistung von Servern explodieren lassen, sind die Produkte des US-amerikanischen Chip-Herstellers aus Santa Clara in Kalifornien weltweit gefragter denn je. Auch in China beschaffen die Anbieter von Cloud-Lösungen noch immer geschätzte 80 Prozent ihrer KI-Chips bei Nvidia.

Doch dieser Marktanteil dürfte in den kommenden fünf Jahren auf 50 bis 60 Prozent fallen, sagte ein Analyst von Trendforce gegenüber WSJ. Chinesische Kunden behelfen sich seit Beginn der Boykotte notgedrungen mit einer größeren Zahl von Halbleitern pro Server, um die benötigten Rechenleistungen zu erreichen und greifen dabei entweder zu Legacy-Chips oder zu heimischen Produkten mit geringerer Leistung.

Problem „Dual-Use“-Möglichkeit

Im Herbst 2022 hatte Washington erstmals den Verkauf leistungsstarker KI-Chips nach China verboten, eigenen Angaben zufolge um deren militärischen Einsatz durch die Volksbefreiungsarmee zu verhindern. Kritiker sagen dagegen, Washington gehe es um Protektion und den Versuch, die heimische Halbleiterindustrie zu stärken.

Auf die Boykottliste gerieten auch die Erfolgsprodukte A100 und H100 von Nvidia, die plötzlich nicht mehr nach China verkauft werden durften. Doch nur einen Monat später, im November 2022, hatten die Ingenieure von Nvidia schon leicht „kastrierte“ Ersatzprodukte speziell zur Umgehung der Boykotte entwickelt, darunter die GPU-Chip A800 und H800.

Immer strengere Auflagen: Verkaufsstopp für ursprüngliche „China-Chips“

Nvidia versuchte damit den Spagat aus der notwendigen Compliance mit den Auflagen der US-Regierung und dem Versuch, einen seiner wichtigsten Absatzmärkte trotz des Handels- und Technologiekrieges zwischen Washington und Peking zumindest teilweise zu retten. Rund 20 Prozent seiner Einnahmen erwirtschaftete Nvidia vor Beginn der US-Boykotte in der Volksrepublik.

Verärgerte Bürokraten in Washington reagierten, indem sie im Oktober vergangenen Jahres ihre Restriktionen weiter verschärften. Auch die bereits heruntergetrimmten „China-Chips“ A800 und H800 dürfen seither nicht mehr an Kunden in der Volksrepublik verkauft werden.

Damit aber war das Katz- und Maus-Spiel noch nicht zu Ende. Wieder entwickelte Nvidia neue Chips, die mit ihren Spezifikationen gerade unterhalb der von Washington definierten Schwellenwerte lagen. Sie hießen „HGX H20“, „L20 PCIe“ und „L2 PCIe”.

Chinesische Hersteller versuchen selbst leistungsfähige KI-Chips zu entwickeln

Doch in der Zwischenzeit hat Nvidia starke Konkurrenz von einem chinesischen Halbleiterhersteller bekommen. Die Chipsparte des chinesischen Technologie-Konzerns Huawei, der selbst von Anfang an auf der Boykottliste Washingtons steht, hat den vergleichbaren KI-Chip „Ascend 910B“ entwickelt.

Er gilt als das in seiner Leistung dem A100 von Nvidia am ehesten vergleichbare Produkt aus heimischer Produktion in China. Zumindest mit dem heruntergetrimmten H20 ist er chinesischen Medienberichten zufolge durchaus vergleichbar, in manchen Funktionen möglicherweise sogar überlegen.

Baidu bricht den Damm und setzt auf heimische Prozessoren

Schon im Oktober 2023 hatte der chinesische Internet- und KI-Konzern Baidu keine Chips bei Nvidia mehr bestellt, sondern hatte stattdessen Chips von Huawei im Wert von umgerechnet 62 Millionen US-Dollar gekauft. Es ging vorerst noch nicht um große Mengen von Chips, doch der Damm war gebrochen.

Unter anderem weil die US-Regierung ihre Chip-Restriktionen gegenüber China jährlich neu überprüft und weiter zu verschärfen droht, scheint sich Beobachtern zufolge nun die Abkehr chinesischer Konzerne von Nvidia zu beschleunigen. Ihnen ist das Risiko einfach zu groß, künftig möglicherweise große Teile der eigenen Server-Infrastruktur umstellen zu müssen, sollten Nvidia-Chips in China komplett ausfallen.

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Auch der Betreiber von TikTok, der chinesische Konzern ByteDance, schwenke auf heimische Halbleiter um, berichten das WSJ und chinesische Medien. Besonders Huawei habe sich in den vergangenen Jahren seit Beginn des Chip-Krieges zum „De facto Chip-Tech-Champion“ in China entwickelt, kommentierte kürzlich die Wirtschaftsagentur Bloomberg. (me)

* Henrik Bork, langjähriger China-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau, ist Managing Director bei Asia Waypoint, einer auf China spezialisierten Beratungsagentur mit Sitz in Peking.

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