KI-Chips für China Nvidia und Intel spielen Katz und Maus mit Washington

Von Henrik Bork* 4 min Lesedauer

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Verbieten. Runtertrimmen. Erneut verbieten. Es ist ein Katz- und Maus-Spiel, bei dem es um Milliarden geht. Nur wenige Wochen nach der jüngsten Verschärfung der Chip-Boykotte in Washington hat Nvidia erneut spezielle Chips für China entwickelt, mit denen die Boykotte umgangen werden können.

Was ausschaut wie eine Kassette für einen alten Diaprojektor, ist Nvidias Highend-Grafikbeschleuniger L40S – der nun auch unter die neue US-Ausfuhrbeschränkung fällt. Erst im August hatte Nvidia das Produkt speziell für die Verarbeitung von Workloads für generative KI vorgestellt. Nun soll es bereits abgespeckte neue Versionen geben, die die Beschränkung erneut unterlaufen.
Was ausschaut wie eine Kassette für einen alten Diaprojektor, ist Nvidias Highend-Grafikbeschleuniger L40S – der nun auch unter die neue US-Ausfuhrbeschränkung fällt. Erst im August hatte Nvidia das Produkt speziell für die Verarbeitung von Workloads für generative KI vorgestellt. Nun soll es bereits abgespeckte neue Versionen geben, die die Beschränkung erneut unterlaufen.
(Bild: Nvidia)

Im Oktober waren die Schwellenwerte für Exporte von KI-fähigen Halbleitern nach China erneut gesenkt worden. Seither dürfen auch die zwei GPUs „A800“ und „H800“, die Nvidia eigens zur Umgehung einer früheren Sanktionsrunde für China entwickelt hatte, nicht mehr dorthin verkauft werden.

Weniger als einen Monat danach soll Nvidia nun bereits drei neue, wieder mit Blick auf die US-Boykotte angepasste KI-Chips im Angebot haben, berichten chinesische Fachmedien wie die Kechuangban Ribao unter Berufung auf Händler in Peking. Sie heißen „HGX H20“, „L20 PCIe“ und „L2 PCIe“.

Die offizielle Ankündigung von Nvidia für diese neuen China-Chips steht noch aus, doch in der Branche zweifelt kaum jemand daran, dass das US-Unternehmen sein Chinageschäft so weit wie möglich verteidigen wird.

20 Prozent: Anteil Chinas an Nvidias Rechenzentrumsgeschäft

Der Anteil Chinas allein am Datenzentrum-Geschäft von Nvidia beträgt mehr als 20 Prozent und dieses Geschäft im letzten Quartal um 171 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gewachsen, was mehr als zehn Milliarden US-Dollar Umsatz für den Konzern generiert hat.

Schätzungen zufolge werden die US-Boykotte Nvidia genau wie mehrere andere amerikanische Hersteller empfindlich treffen. China ist der weltweit größte Markt für KI-Chips und die Nachfrage dort wächst schneller als irgendwo sonst. Allerdings reißen auch außerhalb Chinas die Kunden Nvidia die Chips bildlich aus den Händen. Das Unternehmen kann die hohe Nachfrage kaum erfüllen, was dem Unternehmen astronomische Umsatzzahlen beschert.

Schutz der nationalen Sicherheit? Oder der Industrie? Oder beides?

Die US-Regierung begründet ihre Boykotte damit, Anwendungen für das chinesische Militär und die Spionage schwächen zu müssen. Kritiker hingegen sagen, es gehe um Protektionismus, mit dem die USA ihre heimische Industrie schützen will.

Kurzfristig betrachtet haben die Boykotte den gewünschten Erfolg. Große KI- und Cloud-Anbieter aus China wie Alibaba, Bytedance und Baidu können nicht mehr so viele Chips in den USA einkaufen wie vorher, was Nvidia allein fünf Milliarden US-Dollar an Bestellwert für 2024 kosten wird, schreibt das chinesische Fachportal Weike Wang.

Langfristig aber, da sind sich viele Analysten einig, gleichen die Boykotte dem sprichwörtlichen Schuss ins eigene Knie. Sie stärken chinesische Investitionen in heimische Innovationen. Wo immer möglich, bestellen chinesische Internet- und Plattform-Konzerne jetzt bei chinesischen Chipherstellern oder bauen sich ihre KI-Chips selbst.

Antrieb für KI-Chipentwicklungen in China

Alibaba Cloud und die Ant Group steige von US-Chips auf die von Alibaba selbst entwickelten Huanggang-Chips um. Die Plattform Apollo für autonomes Fahren nutzt neuerdings Chips der Kunlun-Serie von Baidu. Und Firmen wie IFlytek kaufen den Ascen 910 von Huawei für Anwendungen wie Spracherkennung oder die Bildanalyse.

„Heimische Hochpräzisions-Halbleiter schießen aus dem Boden wie Pilze nach dem Regen,“ schreibt Weike Wang. Langfristig seien die US-Boykotte damit nicht nur für China, sondern auch für die amerikanische Halbleiter-Industrie schädlich, sagen Kritiker sowohl in China wie auch in den USA. Andererseits lässt sich nicht jeder Pilz essen, um im Bild zu bleiben. Da auch Prozessorarchitekturen US-Exportrestriktionen unterliegen, können chinesische Entwickler ohne Weiteres leistungsfähige Chips nachbauen. Und mit offenen Befehlssatzarchitekturen wie RISC-V lassen sich bislang keine KI-Hochleistungschips designen.

Nvidia: „Boykotte haben nur marginalen Einfluss auf Geschäft“

Nvidia selbst betont immer wieder, dass die Boykotte nur einen marginalen Einfluss auf seine Geschäftsergebnisse haben. Die aktuellen Rekordergebnisse zeigen, dass das Unternehmen damit nicht falsch liegt. Andererseits warnte Nvidia jedoch, dass die Verkäufe in China im vierten Quartal aufgrund der US-Exportbeschränkungen zurückgehen werden.

Dennoch werde der Rückgang „durch ein starkes Wachstum in anderen Regionen mehr als ausgeglichen werden“, sagte Nvidias Finanzcheffin Colette Kress. Im Juni aber hatte sie auch gewarnt, dass weit definierte Restriktionen langfristig zu einem „permanenten Verlust von Chancen“ für die US-Chip-Industrie führen würden.

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Kurzfristig geht es den US-Herstellern um Schadensbegrenzung. An dem aktuellen Katz- und Maus-Spiel beteiligt sich auch Intel. Sein KI-Chip „Habana Gaudi2“, nach der vorletzten Sanktionsrunde aus Washington eigens für den chinesischen Markt entwickelt, erfreut sich hier aktuell eines reißenden Absatzes. „Nicht einmal Onkel Sam steht zwischen dem x86-Titanen und seine Profiten“, kommentierte das Online-Nachrichtenmagazin The Register.

Auch mit langsameren Chips lässt sich rechnen

Während solche Chips für den chinesischen Markt langsamer sind als die nicht von Boykotten betroffenen Top-Modelle, können damit dennoch die gewünschten Anwendungen umgesetzt werden. Es werden dafür gewöhnlich nur etwas mehr Chips benötigt und der Stromverbrauch steigt.

Eine weitere mögliche Folge der von Washington ausgerufenen Chip-Boykotte könnte sein, dass chinesische Hersteller momentan auf dem Weltmarkt wie in einem Rausch Ausrüstungen zur Herstellung von Chips einkaufen.

Langfristig werde dies zwangsläufig dazu führen, dass immer mehr Halbleiter in China selbst produziert werden, sagen Marktbeobachter. „Leider haben die Chip-Sanktionen für China exakt das Gegenteil dessen erreicht, was beabsichtigt war,“ schreibt etwa das Fachportal Semiwiki. „Und zwar, dass China ein immer größerer, immer stärkerer Player in der Chip-Industrie werden wird, der US-Unternehmen bedroht. Ein Grund ist der von Angst inspirierte Kauf von Tonnen von Ausrüstungen der genau durch diese Sanktionen ausgelöst worden ist.“

Ob chinesische Unternehmen andererseits nicht ohnehin die Ausrüstungen für den per order de mufti von der Regierung verordneten Aufbau der eigenen Chipindustrie kaufen würden, steht auf einem anderen Blatt. (me)

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