100 Jahre Rundfunk in Deutschland Die Technik hinter der Runkfunk-Revolution

Von Antonio Funes 7 min Lesedauer

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Vor 100 Jahren, am 29. Oktober 1923, ging in Deutschland die erste Rundfunksendung über den Äther. Der runde Geburtstag ist ein guter Grund, die damals eingesetzte Technik unter die Lupe zu nehmen.

Foto von Charles Herrolds Radiolabor in San Jose, Kalifornien, um 1912. Herrold steht in der Tür.
Foto von Charles Herrolds Radiolabor in San Jose, Kalifornien, um 1912. Herrold steht in der Tür.
(Bild: / CC0)

Heutzutage ist der Rundfunk vielfältig und hat technisch viele Ausprägungen, die über das klassische Senden und Empfangen eines Radiosignals hinausgehen. Schon längst „senden“ Radiostationen und andere Rundfunk-Teilnehmer per Kabel und via Internet. Neben Radio zählt Fernsehen zum Rundfunk, was freilich in der Anfangszeit des Fernsehens daran lag, dass das TV-Signal per Funk übertragen wurde. Nicht zu vergessen die Satellitentechnik, bei der die Signale für Radio und Fernsehen ebenfalls Funksignale sind.

Man spricht also zusammenfassend nicht nur von Rundfunk, wenn Signale stationären Sendern über Antennen empfangen werden, sondern meint allgemein einen organisierten Sendebetrieb durch kleine oder große Produzenten. Viele Streamer und YouTube-Content-Ersteller werden inzwischen ebenfalls als Teil des Rundfunks angesehen, sofern sie regelmäßig Inhalte liefern und für Konsumenten wie eine Art TV-Sender mit abrufbaren Inhalten wirken. Uns geht es aber heute darum, welche technische Entwicklung nötig war, um den Rundfunk in den 1920er-Jahren überhaupt erst zu ermöglichen.

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Der Funke springt über

Die Grundlagen für Rundfunk und für Funktechnik waren in den 1880er-Jahren die bei Experimenten mit Elektrizität und Magnetismus gewonnenen Erkenntnisse, die eine Forschung zu kontrollierten elektromagnetischen Wellen zuließen. Die ersten funktionierenden Funksender waren dabei zunächst für telegrafische Zwecke mit Morsesignalen geeignet. Eine Radiosendung mit Umwandlung von Schall in ein elektrisches Signal, um dieses bei einem Empfänger wieder in Schall umzuwandeln, war zunächst nicht sinnvoll möglich, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits die Mikrofontechnik existierte.

Es war der deutsche Physiker Heinrich Hertz, der im November 1886 erstmals experimentell bestätigen konnte, dass elektromagnetische Wellen existieren. Vier Jahre vorher hatte bereits der Schotte James Clerk Maxwell die Theorie ihrer Existenz aufgestellt. Dem serbischen Tausendsassa Nikola Tesla wiederum gelang es, basierend auf diesen Erkenntnissen Energie drahtlos zu übertragen und dies im Jahr 1900 erfolgreich als Patent anzumelden. Es gilt allgemein als das erste Patent im Zusammenhang mit Funktechnik.

Marconi im Rampenlicht

Die wichtigste Person im Zusammenhang der Pionierarbeit bezüglich der auch kommerziellen Verbreitung der Funktechnik, die die Grundlage für den Rundfunk darstellte, war der Italiener Guglielmo Marconi. Er konnte im Jahr 1895 erstmals eine Funkverbindung über eine Entfernung von fünf Kilometern umsetzen. Nach weiteren Versuchen mit größer werdender Reichweite gelang Marconi im Jahr 1901 die Übertragung eines Funksignals von Europa über den Nordatlantik bis nach Nordamerika.

Diese ersten Erfolge gelangen ihm mit Hilfe eines Knallfunkensenders – dabei wird ein Kondensator bis zur Zündung eines Lichtbogens an der Funkenstrecke aufgeladen. Die Spannung springt zu einem zweiten Kondensator über und es entsteht zusammen mit einem Knall ein oszillierendes Signal, das über eine Sendeantenne abgegeben wird. Nachdem ein Signal abgesendet wurde, gab es aber eine erneute Entlade- beziehungsweise Aufladezeit – Signale konnten also nur schubweise und nicht zusammenhängend erzeugt werden, sodass Knallfunkensender lediglich telegrafische Nachrichten basierend auf dem Morseprinzip sendeten.

Da Knallfunksender zudem eine große Frequenz-Bandbreite in ihren Funkwellen erzeugen, stand diese Technik einer weiteren Verbreitung im Wege – die Sender wurden in den 1920er-Jahren gar verboten. Die bei dem Verfahren entstehenden Frequenzänderungen stören andere Sender und vor allem Empfänger.

Mit dem Lichtbogensender, den der Däne Valdemar Poulsen entwickelte, fand sich eine Alternative, die bis etwa 1930 eingesetzt wurde. Die von Marconi zwischenzeitlich ins Leben gerufene eigene Firma hatte mit Maschinensendern eine Option. Letztere erzeugten Signale im Langwellenbereich, wobei schnell drehende Rotoren einen Generator antreiben.

Ein bekannter Maschinensender ist der Alexanderson-Alternator, 1904 erfunden vom Schweden Ernst Fredrik Werner Alexanderson. Er konnte Langwellen-Frequenzen bis zu 100 kHz bei einer Leistung von 200 Kilowatt erzeugen. Beim Goldschmidt-Alternator des Deutschen Rudolf Goldschmidt aus dem Jahr 1908 kommt wiederum ein Verfahren zum Einsatz, das als ein Vorläufer von Mischstufen gilt – mit seinem Maschinensender waren geringere Drehzahlen nötig als mit dem Alexanderson-Alternator, und die höchste erreichbare Sendefrequenz lag bei etwa 200 KHz. Zum Vergleich: Mittelwellen-Radiosender liegen zwischen 520 und 1620 KHz, UKW-Sender bei 30.000 bis 300.000 KHz (30 bis 300 MHz).

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Nobel und Kommerz

Doch kommen wir zurück zu Guglielmo Marconi und seinen kommerziellen Erfolgen, die die Funktechnik schnell verbreiteten. Es gab neben Marconi andere Forscher und Ingenieure, denen Erfolge rund um die Forschung und Entwicklung der Funktechnik gelangen. So hatte der deutsche Forscher Ferdinand Braun, der einige theoretische Grundlagen schuf, bei Versuchen in den Jahren 1895 bis 1910 Funksignale über weite Strecken gesendet, zum Beispiel im Jahr 1898 eine Übertragung über eine Distanz von 30 Kilometern. Im Jahr 1909 bekamen Braun und Marconi auch gemeinsam den Nobelpreis für Physik in Anerkennung ihrer Arbeit zur Entwicklung der drahtlosen Funktelegrafie.

Marconi schlug im Anschluss einen eher unternehmerischen Weg ein, da er kommerzielle Chancen in der Funktechnik sah. Mit der 1897 in London gegründeten Firma Wireless Telegraph and Signal Co., die später Marconis Wireless Telegraph Co. Ltd. hieß, sowie der später in den USA gegründeten American Marconi Wireless Corporation, die 1899 zur Radio Corporation of America wurde, startete Marconi durch. 1898 gab es in Südwest-England für Marconi eine erste bezahlte Telegrafen-Nachricht, und zwar von der Isle of Wight nach Bournemouth (etwa 35 Kilometer Luftlinie).

Dabei bestand der Kunde, Lord Kelvin, auf die komplette Bezahlung der Kosten für die noch als Versuch klassifizierten Übertragung. Entscheidend für den kommerziellen Erfolg war, dass Marconi die Funktechnik auf Schiffen etablieren konnte. Zum einen ermöglichte er den Schiffen eine weitreichende Kommunikationsmöglichkeit, zum anderen konnten Schiffe auch als Relaisstation fungieren, um Funkstrecken zu verlängern.

Dabei entwickelten sich Marconis Firmen mit ihren Angeboten an Funktechnik zu Marktführern - auch die legendäre Titanic hatte 1912, als sie bei ihrer Jungfernfahrt sank, einen Marconi-Sender an Bord, der bei der Havarie für eine SOS-Nachricht verwendet wurde. Als Marconi im Jahr 1937 starb, wurde ihm zu Gedenken der Funkverkehr weltweit für zwei Minuten ausgesetzt.

Die Technik entwickelt sich weiter

Abseits der kommerziellen Erfolge von Marconi entwickelte sich die Funktechnik weiter und wurde stetig verbessert – einer von zwei wichtigen Schritten, um überhaupt in den 1920er-Jahren Rundfunk zu ermöglichen, war die Fähigkeit, Funkwellen mit einer konstanten Frequenz zu senden und sie zu modulieren. Es gelang zwar dem Kanadier Reginald Fessenden schon 1906, zum Weihnachtsfest eine Funkübertragung mit Sprache, Musik und Gesang mit Hilfe eines Alexanderson-Alternators in die Welt zu setzen. Doch für eine zuverlässige Modulation sowie dem Senden auf einer bestimmten Zielfrequenz war der Startschuss eine Oszillatorschaltung mit Beteiligung einer Elektronenröhre, die der österreichische Physiker Alexander Meißner im Jahr 1913 entwickelte.

Mit der Schaltung war es möglich, eine Schaltung aus Elektronenröhren ungedämpft und mit einer gezielten Frequenz zum Schwingen zu bringen, und zwar basierend auf dem Rückkopplungsprinzip. Mit dieser Innovation konnte man bestimmte Frequenzen generieren und diese auch verlässlich halten, was die Grundlage dafür ist, verschiedene Funksignale parallel zueinander ausbreiten zu können, ohne dass sie sich gegenseitig stören. Die Modulationsfähigkeit wiederum ermöglichte es, die Amplituden eines Signals anzusteuern und somit letztendlich auch Töne zu übertragen.

Zunächst wurde die Übertragung von Sprache für Telekommunikation sowie beim Militär oder zu Versuchszwecken verwendet – ein wichtiger Punkt beim klassischen Funk im Gegensatz zum Rundfunk ist, dass der Sender in der Regel auf einen bestimmten Empfänger abzielt und ein Protokoll verwendet, damit nur erwünschte Empfänger die Nachricht erhalten. Zudem kann der Empfänger antworten. Beim Rundfunk hingegen wird ein frei empfangbares Signal ohne Protokoll auf einer bestimmten Frequenz gesendet. Der Hörer (oder beim Fernsehen der Zuschauer) muss dafür lediglich die korrekte Empfangsfrequenz an seinem Empfangsgerät einstellen beziehungsweise vorab festgelegte Sender per Knopfdruck auswählen, kann aber nichts zurücksenden.

Den historischen Start des Rundfunkzeitalters kann man nicht exakt festlegen, denn es gab zwar schon vor 1923 immer mehr Amateurfunker, die zum Teil sehr ambitioniert waren. Aber durch den Beginn des ersten Weltkriegs im Jahr 1914 wurden der Amateurfunk und somit ein möglicher Rundfunk durch staatliche Maßnahmen enorm eingeschränkt. Man könnte aber schon im Jahr 1909 einen Startpunkt sehen: Damals gab es in San José (USA, Kalifornien) eine Sendestation, aufgebaut vom Physiker Charles Herrold und seinen Studenten, die mutmaßlich als weltweit erster Sender regelmäßig Nachrichten sendete.

Ab 1917 und in den Folgejahren entstanden schließlich weltweit immer mehr Sender, die dem Rundfunksektor zugeordnet werden können. Zum Teil waren es Amateursender, deren Betrieb zu einem professionellen Sender wuchs, zum Teil waren es aber auch Unternehmer, die von Anfang an kommerzielle Ziele verfolgten. Für den Start in Deutschland respektive in Berlin im Oktober 1923 war eine Aktiengesellschaft verantwortlich, die der „Deutschen Stunde“ untergeordnet war. Das 1922 gegründete Unternehmen hatte die aus heutiger Sicht kuriose Firmenbezeichnung „Gesellschaft für drahtlose Belehrung und Unterhaltung mbH“. Die Deutsche Stunde gründete im weiteren Verlauf mehrere Tochtergesellschaften, um nach Berlin auch andere Städte und Regionen zu erreichen, was die Grundlage für die Landessendeanstalten war, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. Obgleich der Weg für die Technik, die all dies ermöglichte, lang und steinig erscheint, dauerte es am Ende doch weniger als 30 Jahre von Marconis erster Funkübertragung bis zur ersten Rundfunksendung in Deutschland.

Quellen

 (sb)

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