Rechnen mit Lichtquanten Photonik-ICs als Blockadebrecher für China?

Von Michael Eckstein 4 min Lesedauer

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China setzt verstärkt auf integrierte Photonikchips. Diese sollen schnell rechnen, ohne auf neuste Fertigungsverfahren angewiesen zu sein. Doch obwohl weltweit seit vielen Jahren daran geforscht wird, steckt die integrierte Photonik noch in den Kinderschuhen.

Mit Lichtquanten lässt sich – ähnlich wie mit Elektronen – rechnen. Theoretisch. An energieffizienter integrierter Phonotik wird daher weltweit seit langem geforscht, die Ergebnisse sind bislang überschaubar.
Mit Lichtquanten lässt sich – ähnlich wie mit Elektronen – rechnen. Theoretisch. An energieffizienter integrierter Phonotik wird daher weltweit seit langem geforscht, die Ergebnisse sind bislang überschaubar.
(Bild: frei lizenziert / Pixabay)

Photonik-Chips könnten China helfen, die Technologie-Boykotte der USA teilweise zu umgehen. „Diese Zukunftstechnologie könnte möglicherweise die Konturen des US-chinesischen Wettbewerbs bei Halbleitern und KI verändern“, heißt es in einer Analyse des Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington.

Noch sind die Anwendungsmöglichkeiten begrenzt und viele technische Hürden zu überwinden, doch in bestimmten Bereichen zeige der Ersatz von Elektronen durch Photonen (Lichtquanten) großes Potenzial, schreibt Matthew Reynolds vom Asienprogramm des CSIS in seiner Studie. Sie könnten es China künftig ermöglichen, die fortschrittlichsten KI-Algorithmen auch ohne leistungsstarke Halbleiter aus den USA zu trainieren und anzuwenden.

„Jüngste Fortschritte in der Silizium-Photonik scheinen nahezulegen, dass China auch ohne die fortschrittlichsten Halbleiterausrüstungen in heimischer Fertigung Computer-Systeme herstellen könnte, die bestimmte, wichtige KI-Aufgaben besser ausführen können als ihre voll-elektronischen Äquivalente“, schreibt Reynolds.

Einer der Fortschritte, auf die sich Matthew bezieht, ist der Bau einer „Produktionsstraße für Photonikchips“ der Firma Sintone Microelectronics in Peking. Firmenchef Sui Jun hat erklärt, China habe die Fähigkeit, selbst Photonikchips zu produzieren, weil für die Prozesse keine EUV-Lithografie-Maschinen benötigt würden, berichtete Trendforce.

Lichtübertragung für mehr Leistung

Washington versucht seit Jahren, China den Zugang zu den fortschrittlichsten Lithografie-Maschinen zu verwehren, mit denen Logikchips mit Prozessknoten von weniger als 14 oder 16 Nanometer hergestellt werden können. Auch haben die USA den Export der jüngsten Chip-Generation – die unter anderem für die besten KI-Algorithmen benötigt werden nach China stark eingeschränkt.

Nicht nur in China gelten Photonikchips als eine vielversprechende Zukunftstechnologie. Gerade jetzt, wo die Miniaturisierung von Chips immer schwieriger wird und das Moore´sche Gesetz allmählich an seine Grenzen stößt, gleichzeitig aber die Ansprüche an die Rechenleistung durch KI und LLM schnell steigen, verspricht der Einsatz von Licht zur Übertragung von Informationen neue Möglichkeiten.

Die „US Defense Advanced Research Projects Agency“ (DARPA) schon 2019 mit der Erforschung von integrierten Photonikchips begonnen. Die Europäische Union ist dem 2020 mit ihrem „PHOOUSING“-Projekt gefolgt.

Auch USA und Europa forschen an Photonikchips

Auch in China ist die Erforschung dieser neuen Technologie nicht neu. Schon 2017 hatte das Industrieministerium MIIT in Peking eine „Roadmap“ für die Entwicklung für opto-elektronische Geräte veröffentlicht. Auch im von 2021 bis 2025 laufenden 14. Fünfjahresplan der kommunistischen Zentralplaner wird die Entwicklung der Photonik-Route bei Halbleitern bereits als besonders förderungswürdig bezeichnet.

Welches Land sich am Ende als führend in diesem Bereich auszeichnen kann, ist momentan noch offen. Sicher sei aber schon jetzt, dass „die Siliziumphotonik-Technologie das Potenzial hat, China einen Durchbruch in die vorderste Reihe der Halbleiterfertigung zu ermöglichen“, kommentiert Trendforce.

Photonik: Zwei Forschungsschwerpunkte

Derzeit konzentriert sich die Forschung und Entwicklung in China vor allem auf zwei Bereiche der Photonik. Da sind zum einen die elektro-optischen Verbindungen, wo Kupferkabel in Schaltkreisen durch Photonik ersetzt werden. Das Ergebnis sind besonders schnelle, besonders energiesparende „Hybrid-Chips”.

Zum anderen wird auch an Chinas Universitäten viel im Bereich des “optical computing“ geforscht, in dem völlig neu entwickelte Prozessoren nur noch mit Licht und nicht mehr mit Hilfe von elektrischen Strömen arbeiten.

Deren Anwendungsmöglichkeiten sind momentan noch äußerst beschränkt im Vergleich zu der Allzweckwaffe Siliziumchip, doch insbesondere bei der Ausführung von Rechenoperationen mit Matrix-Multiplikationen, die bei ChatGPT und anderen „Large-Language-Models“ gebraucht werden, zeigt das optische Rechnen „wesentliches Potenzial“, schreibt Trendforce.

Symbiose aus Silzium und Photonik wahrscheinlich

Chinesische Wissenschaftler sehen darin mittelfristig eine Chance, die technologische „Blockade der USA zu durchbrechen“. Die erste Produktionslinie für Photonikchips in China sei bald fertig, schrieb etwa der Ökonom Chen Wenling vom „China Center for International Economic Exchanges“ (CCIEE) in einem Artikel. „Das bedeutet, dass sich China weltweit an die Spitze setzen wird, was Photonikchips betrifft und sogar die technologische Entwicklungsroute der Halbleiterindustrie komplett verändern wird“, so der patriotische Chinese.

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Unabhängige Experten bremsen mit dem Hinweis, dass noch viel anwendungsorientierte Forschung und auch Software-Entwicklung nötig sei, bis Photonik-Chips das gute alte Silizium ersetzen können – und dass in Zukunft ohnehin eher eine Symbiose aus beiden Technologien wahrscheinlich sei.

Einig aber sind sich die Forscher überall, dass Photonik-Chips wegen ihrer geringeren Latenz, höheren Effizienz und ihres geringen Energieverbrauchs derzeit eine der vielversprechendsten Pfade der Halbleiterforschung sind.

Mehr Tempo durch Photonik

Schon 2021 hat die chinesische Firma Lightelligence Prototypen von kombinierten Schaltkreisen mit Photonik- und Siliiziumchips entwickelt, die ihren Angaben zufolge „25- bis 100-mal“ schneller waren als die damals schnellsten GPU-Chips von Nvidia.

„Wir können 28-nm-Chips verwenden, um schneller den Effekt von 7-nm-Chips zu erzielen“, zitiert die CSIS-Studie aus Washington Shen Yichen, den CEO von Lightelligence. Gemeinsam mit der chinesischen Akademie der Wissenschaften arbeite sein Unternehmen an „wichtigen Projekten“.

Die Chipboykotte aus Washington haben Pekings Entschlossenheit noch einmal verstärkt, bei der Photoniktechnologie künftig eine global führende Rolle spielen zu wollen. Die neue Route sei ein Beleg dafür, dass sich die USA mit ihrem Chipkrieg „selbst in den Fuss schießen“, formuliert es Yao Yang, der Direktor des Instituts für Nationale Entwicklung an der Peking-Universität.

Die jüngsten Fortschritte in China dürften nicht überbewertet werden, bremst hingegen die Analyse des CSIS in Washington. Doch die Effektivität der US-Boykotte gegenüber China stellten sie schon in Frage, schreibt Reynolds. Die Siliziumphotonik sei „eine Erinnerung daran, dass die USA nicht annehmen sollten, dass die Fertigungs-Fähigkeiten der chinesischen Halbleiterindustrie permanent begrenzt werden könnten, nur weil China der Zugang zu den fortgeschrittensten Halbleiterausrüstungen verwehrt wird”, so der Autor der US-Studie. (me)

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