Kapazitätsausbau, um US-Boykotten zuvorzukommen Chinesische Hersteller rüsten bei reifen Chipgenerationen auf

Von Henrik Bork* 4 min Lesedauer

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Mehrere Foundries in der Volksrepublik China beschleunigen den Ausbau ihrer Kapazitäten für „Mature Nodes“ und horten Fertigungsausrüstung für diese älteren Chipgenerationen. Ziel ist es, weiteren Boykotten der USA zuvorzukommen.

Chinesische Chiphersteller horten Fertigungsausrüstung für ältere Chipgenerationen, um US-Boykotten zuvorzukommen.
Chinesische Chiphersteller horten Fertigungsausrüstung für ältere Chipgenerationen, um US-Boykotten zuvorzukommen.
(Bild: Clipdealer)

Wie DigiTimes Asia berichtet, sind unter anderem die chinesischen Chiphersteller CanSemi Technology, GTA Semiconductor und Nexchip Semiconductor auf der Suche nach Maschinen für reife Chipgenrationen. Kurz bevor am 1. September die nächste Verschärfung der amerikanischen Boykotte von Halbleitern und Ausrüstungen für deren Produktion gegenüber China in Kraft tritt, erfreuen sich vor allem japanische Maschinenbauer einer regen Nachfrage.

Man beobachte „eine extrem starke Investment-Aktivität“ bei Foundry-Kunden in China, sagte Toshiki Kawai, der CEO von Tokyo Electron, einem Reporter der Nachrichtenagentur Bloomberg. Der größte Ausrüstungshersteller der Halbleiterindustrie in Asien gewinne in China zur Zeit neue Kunden, so der CEO. Auch Nikon, das ebenfalls Spezialmaschinen für Foundries liefert, hat eine gestiegene Nachfrage im Segment der älteren Chipgenerationen in China beobachtet, berichtet Bandaoti Qianyan, ein chinesische Fachportal für die Halbleiterindustrie. Im laufenden Jahr erwarte Nikon einen Anstieg seiner Verkäufe von Lithografie-Maschinen an chinesische Foundries. Nicht alle Modelle des japanischen Herstellers sind derzeit von den Exportkontrollen Washingtons berührt. Selbst relativ neue Lithografie-Maschinen von Nikon wie etwa das ArF-Modell „NSR-S65E“ können derzeit noch problemlos nach China geliefert werden, schreibt das Techportal.

USA boykottiert nicht mehr nur die neuesten Halbleitergenerationen

Was zunächst mit Boykotten der fortschrittlichsten Halbleitergenerationen unterhalb des 28-Nanometer-Bereichs begonnen hatte, ist von Washington seit 2019 schrittweise immer weiter auf andere Chips und Ausrüstungen für deren Herstellung ausgeweitet worden. Nun geraten selbst „Mature Nodes” mit 28 oder 40 Nanometern und darüber ins Visier der China-Falken in Washington. Ab dem 1. September, mit der nächsten Runde der US-Boykotte im von US-Präsident Biden hartnäckig betriebenen „Chip War” mit China, wird die Liste von Ausrüstungen, für deren Export formelle Genehmigungen einzuholen sind, nochmals erweitert.

Schon jetzt gelten die Exportkontrollen Washingtons, die auf diplomatischen Druck der USA teilweise auch von Japan und den Niederlanden übernommen worden sind, sowohl für Ausrüstungen für fortgeschrittene als auch für reifere Chipgenerationen. Sowohl EUV- oder Extreme-Ultraviolet-, als auch DUV- oder Deep-Ultraviolet-Lithografie-Maschinen von 28 bis 40 Nanometern und aufwärts stehen schon auf den Exportkontroll-Listen für China in den „US Export Administration Regulations” (EAR). Obwohl sie erst vor einem Jahrzehnt oder noch früher eingeführt worden sind, gelten Chips mit solchen Strukturgrößen als reife Technologien.

Die Nachfrage für diese Chipgenerationen bleibt vor allem in China nach wie vor stark, da sie für viele dort gerade rasch wachsende Industrien gebraucht werden – darunter die Elektromobilität, den Ausbau des 5G-Netzes, Automatisierungslösungen in der Fertigungsindustrie und den Ausbau erneuerbarer Energie wie Solar- und Windkraft. Momentan seien es noch „vorwiegend Ausrüstungen, die für fortgeschrittene Prozesse genutzt werden“, für die eine Inspektion der US-Behörden erforderlich sei. „Allerdings könnten für weit verbreitete Ausrüstungen für reifere Prozesse von 45 bis 28 nm potenziell ebenfalls Autorisierungen für den Export eingeholt werden“, schreibt das Fachmagazin Trendforce.

Washington will Chinas Halbleiterproduktionsfähigkeiten schwächen

In Kreisen der chinesischen Halbleiterindustrie setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass Washington China nicht nur von den fortschrittlichsten Chip-Generationen abschneiden will, sondern Chinas Fähigkeit zum Bau von Halbleitern im Zuge einer breiteren Containment-Politik ingesamt stark schwächen will. Schon die letzte wesentliche Verschärfung der US-Boykotte im Oktober vergangenen Jahres hätte gezeigt, dass die USA der Volksrepublik nicht allein die fortschrittlichsten Chipgenerationen, sondern auch eine große Zahl von derzeit kommerziell erfolgreichen „Legacy-Chips“ vorenthalten will, sagten Manager chinesischer Hersteller in Diskussionen auf der „China Semiconductor Equipment Annual Conference”, die gerade in Wuxi stattgefunden hat.

„Die Oktober-Regeln haben wirklich die wahre Intention der USA enthüllt, Chinas Fähigkeit zur Chip-Produktion bei 28 Nanometern zu arretieren, mindestens fünf Generationen hinter den momentan global fortschrittlichsten 3 bis 14 Nanometern“, sagte Gerald Yin, CEO des chinesischen Ausrüstungshersteller AMEC auf der Konferenz in Wuxi. Dies sei aus chinesischer Sicht „inakzeptabel”.

Boykotte könnten langfristig das Gegenteil bewirken

Allerdings gibt es bereits erste Hinweise dafür, dass die US-Boykotte langfristig das Gegenteil dessen bewirken könnten, was sie ursprünglich bezweckten – indem sie zu einer größeren Abhängigkeit der US-amerikanischen und europäischen Wirtschaft von Chips der reiferen Generationen aus China führen. Wenn chinesische Investoren und Foundries jetzt Milliarden in reifere Prozesse und auch in die Herstellung entsprechender Ausrüstungen investieren, werden sie schon bald wegen der einsetzenden Skalierungseffekte deutlich günstiger produzieren können als amerikanische oder europäische Hersteller. Die Amerikaner und Europäer könnten dann in der Zukunft ähnlich aus dem Weltmarkt gedrängt werden wie früher schon nicht-chinesische Produzenten von Solarpanels.

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Dementsprechend wächst in Washington gerade die Besorgnis, bei reiferen Chipgenerationen könne eine neue Abhängigkeit von der Volksrepublik China entstehen. „Die Geldbeträge, die China derzeit in die Subventionierung dessen gießt, was künftig exzessive Kapazitäten von reifen Chips und Legacy-Chips sein werden – das ist ein Problem, über das wir nachdenken müssen und dem wir gemeinsam mit unseren Alliierten vorbeugen müssen", sagte die US-Handelsministern Gina Raimondo kürzlich auf einer Forumsdiskussion im „American Enterprise Institute“. (cg)

* Henrik Bork ist Managing Director und Analyst bei Asia Waypoint, einem auf den asiatischen Markt fokussierten Beratungsunternehmen mit Sitz in Peking.

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