Laser für sichtbares bis NIR-Licht auf Silizium Photonik: „Wir demokratisieren den Zugang zur Quantenphysik“

Von Henning Wried 5 min Lesedauer

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Photonik-Schaltkreise (PIC) nutzen Photonen statt Elektronen. Dieses Verfahren ist schnell, vielseitig und steht kurz davor, den nächsten großen Fortschritt in der Technik zu bringen. Einer US-amerikanischen Forscherguppe ist nun ein Durchbruch gelungen, der den Preis von Photonik-Schaltkreisen stark senken könnte.

Photonik-Chips: Laserlicht leuchtet auf der Oberfläche eines photonischen Chips.
Photonik-Chips: Laserlicht leuchtet auf der Oberfläche eines photonischen Chips.
(Bild: Matt Perko)

Bislang erforderte die Photonikforschung teure, hoch entwickelte Geräte wie Präzisionslaser und individuelle Schaltkreise. Doch um ihr volles Potenzial auszuschöpfen, muss die Technologie viel kleiner, billiger und einfacher zu produzieren sein.

Forscher haben an diesen Fronten Fortschritte gemacht, stehen aber immer noch vor der Herausforderung, ihre Schaltkreise mit kürzeren Lichtwellenlängen zum „Laufen” zu bringen.

Ein Team von Nexus Photonics, UC Santa Barbara und Caltech hat nunmehr eine Technik entwickelt, mit der photonische Schaltkreise im sichtbaren bis nahen Infrarot-Bereich funktionieren. Die Technik macht sich auch Methoden zunutze, die in der Elektronikfertigung bereits üblich sind, sodass sie leicht und kostengünstig in großem Maßstab hergestellt werden kann. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift 'Nature' veröffentlicht.

„Diese Art von Durchbruch könnte Möglichkeiten eröffnen, an die bisher niemand gedacht hat“, sagt Ted Morin, ein Doktorand an der UC Santa Barbara. Die Technologie wird der Hochleistungsphotonik neue Märkte und Anwendungen erschließen, wie zum Beispiel die erweiterte und virtuelle Realität, das Gesundheitswesen und Atomuhren mit Wellenlängen im sichtbaren Licht und nahen Infrarot. Darüber hinaus wird die Produktion in großem Maßstab den Preis von Lasern und photonisch integrierte Schaltkreisen (PIC) senken.“

Laseranbindung an Photonik-Schaltkreise

In einem photonischen Schaltkreis werden Photonen (Lichtquanten) durch Wellenleiter übertragen, ähnlich wie Elektronen über die Leiterbahnen in einem elektronischen Schaltkreises. Eine große Hürde bei der Miniaturisierung ist bisher der Anschluss des Lasers an den photonischen Schaltkreis selbst.

„Stellen Sie sich vor, jemand würde von Hand Leitungen an jeden einzelnen Transistor eines Computerprozessors anschließen”, so Morin. „Das würde den Zweck, die Dinge kompakter zu machen, völlig zunichtemachen“, fügt Minh Tran hinzu, Forschungsleiter bei Nexus Photonics, der an der UC Santa Barbara promoviert hatte.

Das Problem der „Laseranbindung” wurde 2005 von Forschern der UC Santa Barbara unter der Leitung von Professor John Bowers für Siliziumschaltungen elegant gelöst. Sie brachten die Lasermaterialien direkt auf den Halbleiter auf und lenkten dann das Licht in die Wellenleiter ab. Diese Technologie und ihre Variationen wurden seither von mehreren Industrie- und Forschungsinstituten weiterentwickelt und von Intel im Umfang von mehreren Millionen Dollar pro Jahr vermarktet.

Der PIC-Haken: Funktioniert nur für Wellenlängen oberhalb 1.110 nm

Leider haben diese Lösungen einen Haken. Sie funktionieren nur für elektromagnetische Strahlung mit einer Wellenlänge oberhalb von 1.100 nm, also im Infrarotbereich (780 nm bis 1 mm).

Das liegt daran, dass jeder Halbleiter eine Bandlücke hat. Die Bandlückenenergie von Silizium beträgt 1,12 eV, was einer Bandlückenwellenlänge von 1.100 nm entspricht. Die Bandlückenwellenlänge ist die Wellenlänge, die gerade noch ausreicht, um im Halbleiter absorbiert zu werden. Photonen mit höheren Wellenlängen transmittieren durch den Halbleiter, bei kleineren Wellenlängen wird die Energie der Photonen in Wärme umgewandelt.

In photonischen Schaltkreisen auf Basis von Silizium werden also Photonen mit einer höheren Energie als 1,12 eV (d. h. einer kürzeren Wellenlänge als 1.100 nm) absorbiert.

„Alles, was kürzer ist, funktioniert also nicht mit der derzeitigen Technologie“, so Tran. Das sichtbare Licht liegt in einem Wellenlängenbereich von 380 bis 750 nm, was bedeutet, dass UV-Licht, sichtbares Licht und sogar ein Teil des Infrarot-Bereichs von Silizium-Wellenleitern absorbiert wird.

Der Halbleiter Silizium eignet sich zwar hervorragend für die Elektronikschaltungen, kann aber bei PIC Licht nicht in allen Wellenlängen übertragen. „Wenn wir unsere Anwendungen auf kürzere Wellenlängen ausdehnen wollen, müssen wir ein anderes Material verwenden, um unser Licht zu leiten“, erklärt Tran.

Laserkopplung: Werkstoffe für kürzere Wellenlängen

Siliziumnitrid erwies sich hier als der beste Kandidat. Die Bandlückenwellenlänge dieses Materials liegt bei etwa 250 nm, also im extrem kurzwelligen ultravioletten Bereich des Spektrums.

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Der Vorteil dieses Materials ist, dass es sich problemlos in die Elektronik-Fertigungsverfahren integrieren lässt. „Der gesamte Prozess umfasst Routineschritte und kann mit der vorhandenen Infrastruktur leicht erweitert werden“, bestätigt Morin.

Das Problem: Die Herausforderung, die Laser mit den Wellenleitern zu verbinden, musste erneut angegangen werden, da die ursprüngliche Silizium-Technik aufgrund der optischen Eigenschaften nicht mit Siliziumnitrid funktioniert.

Licht breitet sich in unterschiedlichen Werkstoffen unterschiedlich schnell aus. Wissenschaftler beschreiben diese optische Materialeigenschaft mit einer Zahl, dem Brechungsindex. Siliziumnitrid hat einen anderen Brechungsindex als das Lasermaterial. Das macht es schwierig, den Lichtstrahl von der Laserschicht in die darunter liegenden Siliziumnitrid-Wellenleiter zu lenken.

Um dieses Problem zu lösen, fügte das Team ein Zwischenmaterial mit einem Brechungsindex nahe dem des Siliziumnitrids auf Laser-Ebene hinzu.

Kompatibilität zu Halbleiter-Herstellungsprozessen

Auf diese Weise tritt das Laserlicht frontal in den Übergangswellenleiter ein und wird dann von einem Material mit ähnlichen optischen Eigenschaften nach unten in den Siliziumnitrid-Wellenleiter geleitet. Auch wenn die Topologie einen Fortschritt darstelle, bestand die eigentliche Herausforderung darin, das Verfahren mit den üblichen Halbleiter-Herstellungsprozessen kompatibel zu machen, erklärt Tran.

„Im Jahr 2018 haben einige von uns von der UCSB die Firma Nexus Photonics gegründet, um die Herausforderung zu lösen, photonische integrierte Schaltungen mit kurzer Wellenlänge herzustellen“, sagt Mitgründer und CEO Tin Komljenovic. „Jetzt haben wir die Technologie endlich so weit optimiert, dass sie die Leistung großer kommerzieller Systeme übertrifft und dabei kleiner als ein Zehncentstück ist.“

Meilenstein in der Halbleiter- und Photonik-Technik

„Dies ist ein wichtiger Meilenstein in der Halbleiter- und Photonik-Technik“, fügt der Absolvent der UC Santa Barbara Chong Zhang, Mitbegründer und Vice President of Engineering bei Nexus Photonics, hinzu. „Es bietet zum ersten Mal eine machbare und skalierbare Lösung für die vollständige photonische Integration im Bereich des sichtbaren Lichts bis in den nahen Infrarot-Bereich.“

Die Technik der Laserkopplung wird leistungsstarke Präzisionsphotonik um Größenordnungen billiger machen. Diese Technologie könnte ihren Weg in die biomedizinischen Wissenschaften durch Anwendungen wie Biosensorik und DNA-Sequenzierung finden. Sie wird sicherlich neue Wege in der Atomphysik und der Quantenforschung eröffnen.

Photonik-ICs: Nutzung kommerzieller Halbleiterprozesse

Bild 2: Dieser vollständig verarbeitete 4-Zoll-Wafer enthält Tausende von Bauelementen.
Bild 2: Dieser vollständig verarbeitete 4-Zoll-Wafer enthält Tausende von Bauelementen.
(Bild: Minh Tran et al.)

„Die Nutzung kommerzieller Halbleiter-Foundries bedeutet, dass sich jeder Universitätsprofessor an jeder Schule der Welt Systeme leisten und Experimente durchführen kann, die heute nur an großen Forschungseinrichtungen möglich sind“, so Morin. „Wir demokratisieren den Zugang zur Quantenphysik“, fügte Tran hinzu.

Die Photonik könnte auch die virtuelle und erweiterte Realität revolutionieren. „Mit integrierter Photonik ist es möglich, Licht von einem kleinen Chip in eine genau kontrollierte Richtung zu senden“, sagt Morin. „Wenn man die Richtung schnell ändert, kann man Bilder dynamisch projizieren.“

„Auf demselben Chip kann man auch erkennen, woher das Licht kommt”, fährt er fort. „Es ist also möglich, Licht irgendwo hin zu senden und zu sehen, was zurückkommt – alles in einem winzigen Paket. Das ist die Idee hinter Lidar, dem Laser-Äquivalent zum Radar, das unser Fahrverhalten revolutioniert.”

Das Team hat die Photonik erfolgreich in die Elektronikfertigung integriert und sieht sich bereits der nächsten Herausforderung gegenüber. Sie planen, photonische und elektronische Schaltkreise auf einem Chip zu integrieren, um eine noch größere Effizienz in Bezug auf Kosten und Leistungsfähigkeit zu erreichen.(kr)

* Henning Wriedt ist freier Fachautor.

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