Mixed-Reality Apple Vision Pro: Öffnen Billig-Klons den chinesischen Markt?

Von Henrik Bork* 4 min Lesedauer

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Bringt Apples neue Datenbrille endlich den Mixed-Reality-Zug ins Rollen? Zumindest in China glaubt man offenbar daran – und hat schon mal die passenden Billigprodukte parat, um auf der erhofften Welle mitzureiten.

Das Original: Apples Datenbrille Vision Pro kostet umgerechnet über 3.000 Euro. Billige Kopien könnten wie seinerzeit bei den Smartphones den chinesischen Markt für derartige Mixed-Reality-Headsets öffnen.
Das Original: Apples Datenbrille Vision Pro kostet umgerechnet über 3.000 Euro. Billige Kopien könnten wie seinerzeit bei den Smartphones den chinesischen Markt für derartige Mixed-Reality-Headsets öffnen.
(Bild: Apple)

Die „Apple Vision Pro“ ist kaum auf dem Markt, da gibt schon ein Gerät aus China, das verdächtig ähnlich aussieht. Sogar der Name klingt vergleichbar. Die „Vision SE“ des chinesischen Herstellers EmdoorVR kann weniger, kostet dafür aber auch nur rund ein Zehntel des Originals aus Kalifornien.

„Nachbau“, „Knock-off“ oder „Copy-Cat-Version“, all diese wenig schmeichelhaften Bezeichnungen treffen nicht wirklich zu, denn das chinesische Gerät kann viel zu wenig, um überhaupt das Prädikat „Imitation“ zu verdienen.

Trotzdem hat dieser Marktstart auf dem berühmt-berüchtigten Elektronikmarkt Huaqiangbei in Shenzhen in Chinas Medien große Aufmerksamkeit erregt. Das ist, mag man vermuten, wohl genau das, was der Hersteller gehofft hatte.

Mit Billigversion auf der Mixed-Reality-Welle mitreiten

„Wir wollten die Apple Vision-Pro-Chance nicht verpassen, also sind wir auf dieser Welle geritten und haben etwas Ähnliches gemacht,“ zitiert die South China Morning Post aus Hongkong Shi Qing, den CEO von EmdoorVR.

Von Scham ist da keine Spur zu finden und der chinesische CEO behauptet auch, er habe alle nötigen IP-Patente. Ob die Anwälte von Apple das genauso sehen werden, wird sich wohl erst noch zeigen.

Wie so oft: Außen hui, innen … naja

Die Vision SE sieht zumindest von außen verdächtig nach einer Kopie der neuen Tech-Sensation aus Cupertino aus, mit der uns Apple in die Welt des „Spatial Computing“ einführen will.

Doch während in der Apple Vision Pro die leistungsstarken M2- und R1-Chips von Apple stecken, muss die chinesische Vision SE mit dem viel leistungsschwächeren Chip „Snapdragon XR1“ von Qualcomm auskommen.

Dafür ist die „Made in China“-Brille aber auch schon für weniger als 2.000 Yuan (rund 260 Euro) zu haben, während das Science-Fiction-Gerät von Apple auf dessen Webseite für 3.499 US-Dollar angeboten wird, also mehr als 3.200 Euro).

Technische Daten zeigen: Kein Vergleich zur Apple Vision Pro

Die chinesische Brille bietet einige Funktionen der virtuellen Realität an, die in Richtung des Originals. So können Nutzer Fotos, Videos oder Filme in ihrem Blickfeld ansehen. Allerdings lässt sich der digitale Content nicht mit Blicken oder Handbewegungen steuern wie bei Apple.

Das Display der chinesischen „Ähnlichkeit“ ist vom Typ LCD, kein Sony-Micro-OLED wie bei Apple. Es hat 3664 x 1920 Pixel, also weniger als ein Drittel der 23 Millionen Pixel der zwei Bildschirme in der Apple VisionPro. Es gibt auch kein neues OS und keinen speziellen App-Store für Mixed-Reality-Apps. Das Angebot aus China läuft mit einem Android-OS.

Billigprodukt könnte Markt öffnen

Und so weiter, und so fort. Je mehr man die Specs vergleicht, desto mehr könnte man zu der Schlussfolgerung gelangen, dass hier Äpfel mit Orangen verglichen werden und der ganze Hype um das chinesische Gerät lächerlich ist.

Damit allerdings würde man die Bedeutung von Huaqiangbei unterschätzen. Dieser quirlige Elektronikmarkt in Shenzhen hatte schon bei der Einführung von Apples iPhone geholfen, den nicht so wohlhabenden chinesischen Kunden den Einstieg in die Ära des Smartphones zu ermöglichen – und damit der Ansicht vieler Experten zufolge mitgeholfen, einen der weltweit größten Märkte für die „echten“ Smartphones zu ebnen.

Später, als die für die meisten Nutzer prohibitiv teuren Airpods von Apple auf den Markt kamen, produzierte dieses Ökosystem von chinesischen Herstellern, Hardware-Dealern und Copycats wieder in Nullkommanichts billige Nachahmungen, die aber anders als das Original für die meisten Kunden in China sofort erschwinglich waren.

Vorstellung der Vision SE auf der CES

EmdoorVR war diesmal noch schneller. Die Vision SE wurde schon entwickelt, noch bevor Apple den Verkauf seiner VisionPro am zweiten Februar dieses Jahres startete. Kurz zuvor hatte EmdoorVR seine Vision SE auf der CES in Las Vegas der Weltöffentlichkeit vorgestellt.

Und es ist gut möglich, dass große Stückzahlen der chinesischen Variante verkauft werden – vermutlich sogar mehr, als Apple jemals von seiner VisionPro absetzen wird.

Das war jedenfalls so, als die ersten VR-Brillen angesehener Marken auftauchten. Chinesische Billigversionen mit VR-Effekten für weniger als 100 Yuan (knapp 13 Euro) haben chinesischen Medienberichten zufolge bislang „mindestens fünf Millionen“ Käufer gefunden.

Apples Lieferkette zum Großteil in China

Dass solche billigen, aber durchaus funktionierenden Hardware-Geräte in China in solchen Rekordzeiten produziert und verkauft werden können, ist nicht zuletzt Apple selbst zu verdanken. Rund 60 Prozent der Teile in der Apple Vision Pro werden derzeit in China produziert, schreibt Technode.

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In der Volksrepublik gibt es eine komplette und hochgradig kompetente Lieferkette, um solche High-Tech-Geräte herzustellen. Da ist es dann auch kein Problem, schnell mal etwas „Ähnliches“ wie eine VisionPro zu basteln. (me)

* Henrik Bork, langjähriger China-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau, ist Managing Director bei Asia Waypoint, einer auf China spezialisierten Beratungsagentur mit Sitz in Peking.

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